Leitsatz (amtlich)
Der Versicherer muss beim Versicherungsnehmer klärend nachfragen, wenn dessen Angaben im Schadensanzeigeformular (oder einem anderen der Schadenregulierung dienenden Fragebogen) widersprüchlich, sonst wie unklar oder erkennbar unrichtig sind. Anderenfalls kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf Leistungsfreiheit wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung berufen.
Verfahrensgang
LG Mosbach (Aktenzeichen 1 O 65/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das Urteil des LG Mosbach vom 14.8.2002 – 1 O 65/02 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 10.493,25 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.072,45 Euro seit dem 19.10.2001 und aus weiteren 420,80 seit 26.6.2002 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 7 % und die Beklagte 93 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
Die zulässige Berufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Sie führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10.493,25 Euro.
I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Der Kläger begehrt wegen eines Fahrzeugdiebstahls Leistungen aus einer Kraftfahrzeugkaskoversicherung. Die Beklagte hält sich wegen ihres Erachtens vorsätzlich falscher Angaben in der Schadensanzeige für leistungsfrei und beanstandet ferner die Höhe der geltend gemachten Ersatzleistung. Das LG hat die Klage wegen Leistungsfreiheit der Beklagten aufgrund von Obliegenheitsverletzungen abgewiesen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils wird Bezug genommen.
Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter und wendet sich dabei insb. gegen die Auffassung des LG, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit gem. §§ 6 Abs. 3 VVG, 7 I. 2, IV 4 AKB lägen vor.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
A. Das LG geht davon aus, dass in die Schadensanzeige aufgenommene falsche Angaben zum Kaufpreis eines entwendeten Fahrzeugs und zum Vorhandensein auch reparierter Vorschäden relevante Verstöße gegen die vertragliche Obliegenheit, alles zur Aufklärung des Tatbestands dienliche zu tun, darstellen. Das ist zutreffend. Das LG meint ferner, nachträgliche Korrekturen falscher Angaben könnten die Leistungsfreiheit nur dann zunichte machen, wenn der Versicherungsnehmer den wahren Sachverhalt allein aus eigenem Antrieb vollständig und unmissverständlich offenbart. Auch das ist richtig (BGH VersR 2002, 173). Dabei werden allerdings die Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht gewürdigt, die zum einen ein vorsätzliches Handeln des Klägers als ausgeschlossen erscheinen lassen und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Nachfrageobliegenheit einer Leistungsfreiheit der Beklagten entgegen stehen.
1. Das vom Zeugen F., Schwager des Klägers und nebenberuflicher Versicherungsvermittler der Beklagten, ausgefüllte Schadensformular vermerkt bei der Rubrik „gezahlter Kaufpreis” „lt. Gutachten”. Im Gutachten ist kein gezahlter Kaufpreis vermerkt, sondern lediglich ein Händlerverkaufswert. Richtig ist zwar, dass eine mögliche Auslegung dahin geht, dass der gezahlte Kaufpreis der Wertangabe im Bewertungsgutachten entsprach. Naheliegend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Darüber hinaus hat sich durch die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger selbst den Verweis auf das Gutachten anders verstanden hat. Der Zeuge F. hat bekundet, er habe angenommen, bei der nachgefragten Wertangabe habe es sich um den für die Berechnung der Entschädigung maßgebenden Wert gehandelt. Da der Wagen vom Kläger in beschädigten Zustand erworben worden und danach in Stand gesetzt worden sei, sei er unsicher gewesen hinsichtlich des einzutragenden Preises. Deshalb habe er versucht beim Schadenssachbearbeiter der Beklagten nachzufragen. Dort habe man ihm aber erklärt, er solle das Formular so ausfüllen, wie er denke. Deshalb habe er dem Kläger geraten, ein Bewertungsgutachten in Auftrag zu geben. Auf dessen Ergebnis habe er sodann in der Schadensanzeige Bezug genommen. Wenn der Kläger in Kenntnis dieser Umstände die Schadensanzeige unterzeichnete, so kann ihm eine vorsätzliche Falschangabe insoweit nicht vorgeworfen werden. Schließlich durfte er sich darauf verlassen, dass der erkennbar um eine ordnungsgemäße Schadensmeldung bemühte Zeuge ihm insoweit keine falschen Angaben zur Unterzeichnung vorlegte (OLG Hamm v. 2.12.1987 – 20 U 112/87). Für ein kollusives Zusammenwirken von Kläger und Zeugen liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Auch die Beklagte behauptet dergleichen nicht.
Ähnlich verhält es sich bezüglich der weiteren Angaben im Schadensformular zu der Frage „Hatte ihr Fahrzeug vor Schadenseintritt Schäden, Mängel oder Fehler durch Unfall, Sachbeschädigung, Verschleiß und dergleiche...