Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Mutwilligkeit einer Klage gegen Fahrzeughersteller und Fahrzeugverkäufer wegen angeblich manipulierter Abgaswerte.

Zur Bindungswirkung eines Stichentscheids nach § 18 ARB.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 31.05.2016; Aktenzeichen 8 O 53/16)

 

Tenor

1. Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 31.05.2016 - 8 O 53/16 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem so genannten "VW-Abgasskandal" um Deckungsansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen (im Folgenden: ARB) zugrunde; § 18 ARB lautet auszugsweise:

"18 Verfahren bei Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer

(1) Lehnt der Versicherer den Rechtsschutz ab,

a) weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht

oder

b) weil (...) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat,

ist dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.

Der Versicherer kann sich bei einer ablehnenden Entscheidung aus anderweitigen Gründen eine Ablehnung nach Absatz 1 vorbehalten. In diesem Fall kann der Einwand der Mutwilligkeit oder fehlender Erfolgsaussichten bei Wegfall des anderweitigen Ablehnungsgrundes noch nachträglich erhoben werden.

(2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er anstelle einer gerichtlichen Klärung innerhalb eines Monats eine anwaltliche Überprüfung einleiten kann.

Auf Kosten des Versicherers kann der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt veranlassen, eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, dass Ablehnungsgründe nach § 18 Absatz 1 nicht vorliegen.

Die Entscheidung des beauftragten Rechtsanwaltes ist für beide Seiten bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht."

Am 19.09.2012 bestellte die Klägerin bei der G (im Folgenden: Autohaus) einen Gebrauchtwagen VW Passat Variant 2.0 (Erstzulassung: Januar 2012). Das Fahrzeug ist vom so genannten "VW-Abgasskandal" betroffen und deswegen mangelhaft, wobei Ausmaß und Folgen des Mangels zwischen den Parteien streitig sind. Mit Schreiben vom 19.01.2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem Autohaus die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt. Das Autohaus antwortete mit Anwaltsschreiben vom 21.01.2016, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt würden. Der Fahrzeughersteller, die Volkswagen AG (im Folgenden: VW AG), bot der Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2016 an, die zur Nachbesserung geplanten Maßnahmen im Einzelnen zu erörtern.

Die Klägerin will eine Klage gegen das Autohaus und die VW AG erheben, gerichtet auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Am 26.11.2015 richteten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin deswegen eine entsprechende Deckungsanfrage an die Beklagte. Die Beklagte lehnte den begehrten Rechtsschutz mit Schreiben vom 03.02.2016 ab. Hinsichtlich des Vorgehens gegen die VW AG berief sich die Beklagte darin auf den Ausschluss übergegangener Ansprüche; ein Rechtsverstoß der VW AG sei bereits bei Erstzulassung im Januar 2012 erfolgt. Deckungsschutz gegen das Autohaus lehnte die Beklagte "zur Zeit wegen Mutwilligkeit" ab.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin fertigten daraufhin am 08.02.2016 einen Stichentscheid, in welchem sie zum Ergebnis kamen, dass Deckungsschutz zu gewähren sei. Mit E-Mail vom 09.02.2016 (Anl. K7, AH Kl. 375) verblieb die Beklagte bei ihrer Ablehnung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das von ihr beabsichtigte Vorgehen sei nicht mutwillig. Ob und gegebenenfalls wann der bestehende Mangel an ihrem Fahrzeug beseitigt werden könne, sei völlig offen. Sie müsse deswegen nicht abwarten und sich auf zukünftige ungewisse Nachbesserungsversuche verweisen lassen. Zudem habe ihr Fahrzeug durch den Abgasskandal auch einen erheblichen Wertverlust erlitten. Gegen die VW AG würden keine abgetretenen, sondern originäre Ansprüche geltend gemacht. Im Übrigen habe die Beklagte die Deckungsablehnung nicht unverzüglich erklärt und sei zudem an den Stichentscheid gebunden.

Die Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag ... verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsverfolgung hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegenüber der G und hi...

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