Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu vermuten ist, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ab.

2. Ein Ratenzahlungsvergleich eines größeren Unternehmens muss für sich allein - ohne weitere Indizien - aus der Sicht des Gläubigers noch nicht zu einem zwingenden Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Unternehmen diesen Vergleich erst mit Verzögerung, nach Androhung der Zwangsvollstreckung, erfüllt.

 

Normenkette

InsO § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1; BGB § 166 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 28.06.2011; Aktenzeichen 4 O 114/11 D)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 28.6.2011 - 4 O 114/11 D - aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Er ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG. Das Insolvenzverfahren wurde am 14.6.2007 eröffnet. Die Schuldnerin gehörte zur sog. Göttinger Gruppe, die ab 1986 in großem Umfang atypische stille Beteiligungen an Kapitalgesellschaften an Anleger veräußerte. In zunehmender Zahl kündigten Anleger seit dem Jahr 2000 wegen behaupteter Prospektfehler oder Falschberatung ihre Beteiligungen, und verlangten die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens und/oder Schadensersatz. Die Schuldnerin befand sich, wie sich im Nachhinein herausstellte, aufgrund der Vielzahl der gegen sie gerichteten Ansprüche schon längere Zeit vor der Insolvenzeröffnung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren versuchte die Schuldnerin, ihre Existenz aufrecht zu erhalten, indem sie Forderungen von Anlegern zunächst bestritt, Zahlungen hinauszögerte, Ratenzahlungsvergleiche abschloss und Teilzahlungen erbrachte. Zudem hatte die Schuldnerin ein Schneeballsystem entwickelt, durch das es ihr über längere Zeit gelang, neu eingenommene Anlagegelder zur Begleichung von Forderungen anderer Anleger zu verwenden.

Der Beklagte hatte von der Schuldnerin eine atypische stille Beteiligung erworben. Nach Kündigung der Beteiligung klagte er im Jahr 2004 auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens. Im Berufungsverfahren kam es am 8.11.2005 zu einem Vergleich vor dem OLG Stuttgart. Die Schuldnerin verpflichtete sich zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 7.000 EUR. Der Betrag sollte in sieben aufeinanderfolgenden monatlichen Raten zu je 1.000 EUR, fällig jeweils bis zum 5. eines jeden Monats, beginnend mit dem 5.12.2005, gezahlt werden. Für den Fall, dass die Schuldnerin mit der Zahlung einer Rate um mehr als 30 Kalendertage in Rückstand geriet, sollte die gesamte zu diesem Zeitpunkt noch offen stehende Restforderung sofort zur Zahlung fällig werden (Anlage K3, I 49, 51).

Die Anfang Dezember 2005 und Anfang Januar 2006 fälligen Raten zahlte die Schuldnerin nicht. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.1.2006 (Anlage K26) ließ der Beklagte die Schuldnerin auffordern, nunmehr die nach dem Vergleich geschuldete Gesamtsumme zu zahlen, und drohte nach Ablauf einer Frist bis zum 31.1.2006 die Zwangsvollstreckung an. Nachdem auch in der Folgezeit eine Zahlung nicht erfolgte, erwirkte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Anfang März 2006 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegen die Schuldnerin. Darauf zahlte die Schuldnerin am 8.3.2006 den nach dem Vergleich vom 8.11.2005 geschuldeten Gesamtbetrag (einschließlich Zinsen) i.H.v. 7.265,57 EUR per Banküberweisung an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten.

Der Kläger hat vorgetragen: Die Schuldnerin sei bereits seit 2002 zahlungsunfähig gewesen. Ihren gesetzlichen Vertretern sei dies bewusst gewesen. Die Zahlung an den Beklagten im März 2006 sei in der Absicht erfolgt, andere Gläubiger zu benachteiligen. Denn durch diese Zahlung sei die Insolvenzmasse verkürzt worden. Aufgrund verschiedener Umstände, insbesondere im Hinblick auf das Zahlungsverhalten der Schuldnerin, sei dem Beklagten und seinem Prozessbevollmächtigten der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bekannt gewesen. Es habe sich bei der Zahlung an den Beklagten daher um eine anfechtbare Rechtshandlung gem. § 133 Abs. 1 InsO gehandelt. Der Beklagte sei verpflichtet, den erhaltenen Betrag nebst Zinsen zurück zu gewähren.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Weder er selbst noch sein Prozessbevollmächtigter hätten damals Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt.

Das LG hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 7.265,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.6.2007 verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Insolvenzanf...

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