Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 30.09.2004; Aktenzeichen 2 O 138/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Offenburg vom 30.9.2004 - 2 O 138/04 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Mutter des am 7.1.2003 im Alter von 25 Jahren bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückten Kevin S. Der Beklagte war in demselben Betrieb beschäftigt. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet und nach § 153a StPO eingestellt. Die Klägerin macht geltend, dass sie infolge des Todes ihres Sohnes unter einer schweren depressiven Störung leide, die Krankheitswert habe. Sie nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen, des Vortrags beider Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen.
Das LG Offenburg hat die Klage durch Urteil vom 30.9.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB zwar vorlägen, weil der Beklagte den Tod von Kevin S. mitverursacht habe und die seelische Erschütterung der Klägerin durch die Nachricht vom Unfalltod ihres Sohnes weit über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehe, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt seien. Die Haftung des Beklagten sei jedoch nach § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen, da der Beklagte den Tod von Kevin S. durch eine betriebliche Tätigkeit weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg verursacht habe. Der Haftungsausschluss des § 105 Abs. 1 SGB VII erstrecke sich auch auf den Schockschaden, den ein naher Angehöriger aufgrund der Unfallnachricht erleide (OLG Celle v. 25.8.1986 - 5 W 28/86, VersR 1988, 67). Nach dem Wortlaut der Vorschrift seien die Ansprüche der versicherten Betriebsangehörigen sowie der Angehörigen und Hinterbliebenen des Versicherten auf Ersatz von Personenschäden ausgeschlossen. Personenschäden im Sinne der Vorschrift seien also nicht nur körperliche und seelische Schäden und eigene Nachteile, welche die versicherten Betriebsangehörigen durch ihre Verletzungen erlitten, sondern auch Schäden der Angehörigen, die sich als Folge der Verletzung oder Tötung des Versicherten ergäben. Der Haftungsausschluss erstrecke sich unstreitig auf die Ansprüche der Angehörigen gem. §§ 844, 845 BGB. Zwar mache die Klägerin keinen Drittschaden im Sinne dieser Vorschriften geltend, sondern einen eigenen immateriellen Schaden; dieser sei aber ausschließlich auf den Tod ihres Sohnes zurückzuführen. Die Ursachenverbindung zwischen ihrem Gesundheitsschaden und dem Unfalltod ihres Sohnes werde dadurch vermittelt, dass sich die Klägerin infolge ihrer engen persönlichen Beziehung zu ihrem Sohn das diesem zugestoßene Unglück zu eigen mache; deshalb müsse sich der Schockgeschädigte nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1971, 1883) ein Mitverschulden seines getöteten Angehörigen zurechnen lassen. Der Schockschaden eines Angehörigen hänge so eng mit dem Tod des Versicherten zusammen, dass auch dieser Schaden ein Personenschaden i.S.d. § 105 Abs. 1 SGB VII sein müsse. Der Wortlaut der Vorschrift stehe dem nicht entgegen, da diese nicht nur von einem Personenschaden des Versicherten selbst spreche. Diese Auslegung entspreche auch dem Zweck der Vorschrift, die dem Betriebsfrieden diene und Konflikte unter Arbeitskollegen vermeiden solle. Die betriebliche Gemeinschaft sei eine Gefahrengemeinschaft; der Haftungsausschluss sei von Vorteil für den Arbeitnehmer als Schädiger und von Nachteil für ihn und seine Angehörigen, wenn er der Geschädigte sei. Im Hinblick auf den Normzweck sei es sachgerecht, die Schockschäden der Angehörigen so zu behandeln wie die Schäden i.S.d. §§ 844, 845 BGB. Dass die gesetzliche Unfallversicherung solche Schäden nicht ausgleiche, stehe dem nicht entgegen, denn der Versicherte selbst habe auch keinen Schmerzensgeldanspruch.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich der Haftungsausschluss des § 105 Abs. 1 SGB VII nicht auf den Schockschaden naher Angehöriger erstrecke, weil die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Ausgleich für derartige Schockschäden böten. Dass sich der Angehörige den Verursachungsbeitrag des von dem Unfall unmittelbar Betroffenen nach der Rechtsprechung des BGH zurechnen lassen müsse, beruhe auf Billigkeitserwägungen. Dem habe sie Rechnu...