Leitsatz (amtlich)
1. Mit Annahme des Mandats werden nur die Mitsozien, nicht aber die angestellten Rechtsanwälte verpflichtet.
2. Die Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entsteht bereits mit dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit.
3. Der Anwalt hat auch im Falle des Zurückgreifens auf eine zwischen den Parteien schon ausgearbeitete Scheidungsfolgenregelung Anspruch auf eine Vergleichsgebühr gem. § 23 BRAGO, wenn auf seine Initiative einzelne Punkte angepasst bzw. neu geregelt werden
4. Bei der Bestimmung des Gegenstandswerts einer Unterhaltsvereinbarung ist auch wenn über einen Teil bereits gerichtlich entschieden ist, vom vollen Betrag und nicht nur von einem Teilbetrag auszugehen; der Anwalt haftet nämlich bei seiner Beratung für die Richtigkeit des gesamten Betrages.
5. Bei der Vereinbarung über die Übertragung eines Grundstücks ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts vom Verkehrswert des Grundstücks auszugehen, grundpfandrechtliche Belastungen bleiben außer Betracht.
Normenkette
BGB §§ 611-612; BRAGO §§ 8, 12, 23, 118
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Aktenzeichen 2 O 32/99) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Baden-Baden vom 20.4.2000 – 2 O 32/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und der Widerklage.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist neben Dr. A. Sozius in der Anwaltskanzlei G., Dr. A. und H. in B. und macht Anwaltshonorar aus abgetretenem Recht geltend, nachdem Dr. A. die streitige Honorarforderung mit Erklärung vom 22.12.1998 an den Kläger abgetreten und dieser die Abtretung angenommen hatte.
Die Beklagte war mit C. R. verheiratet. Im Scheidungsverbundverfahren vor dem AG B. war der Ehemann der Beklagten, C. R., durch Rechtsanwalt Dr. M., und die Beklagte durch Rechtsanwalt L., vertreten. Als Ergebnis außergerichtlicher Verhandlungen über eine Scheidungsfolgenvereinbarung übermittelte Rechtsanwalt Dr. M. an Rechtsanwalt L. mit Schriftsatz vom 12.11.1997 unter Bezugnahme auf eine Unterredung am 7.11.1997 am 17.11.1997 einen schriftlichen Entwurf einer Scheidungsfolgenvereinbarung (I, 167 bis 171) und wies darauf hin, dass er seinerseits Herrn R. die Annahme empfehlen werde.
Die Beklagte kündigte das Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt L. mit Schreiben vom 10.11.1997. Dieser bestätigte mit Schriftsatz vom 12.11.1997 den Eingang der Mandatskündigung und rechnete seine Leistungen im Scheidungsverfahren (gerichtlich und außergerichtlich) am 11.11.1997 mit insgesamt rund 32.000 DM ab. Auf die Scheidungsfolgenvereinbarung entfielen rund 19.000 DM, wobei ein Gegenstandswert von 2.510.600 DM zugrunde gelegt wurde. Zur Absicherung der Gebührenansprüche war zu Gunsten der Rechtsanwälte L. bereits am 12.6.1997 auf Grund der Eintragungsbewilligung der Beklagten vom 10.6.1997 eine brieflose Grundschuld über 30.000 DM auf deren Grundstück eingetragen worden und sie hatte einen zusätzlich einen Gebührenvorschuss von 7.000 DM bezahlt.
Anfang Oktober 1997 löste die Beklagte eine auf sie eingerichtete Kapitallebensversicherung auf und erhielt mindestens 220.000 DM ausbezahlt. Sie hielt Lizenzrechte und eine Gewinnbeteiligungen i.H.v. 288.000 DM in der von ihr und ihrem Mann betriebenen Firma R.-Agency-International, die insbesondere vom Vertrieb und von den Copyrights der Kunstwerke des Künstlers A. B. profitierte.
Die Beklagte erteilte am 13.11.1997 der Anwaltskanzlei G. für die Scheidungsangelegenheit neues Mandat, wobei es insbesondere um den Abschluss der beabsichtigten außergerichtlichen Scheidungsvereinbarung ging.
Am 1.4.1998 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann C. R. vor Notar S. in B. eine umfängliche Scheidungsfolgenvereinbarung. In Ausführung dieser Vereinbarung erfolgte in gleicher Urkunde die Auflassung für das Hausgrundstück der Beklagten in B., auf C. R. zu Alleineigentum. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf den Inhalt der notariellen Urkunde des Notariats I in B. 1UR (I, 19 – 37) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 15.5.1998 forderten Rechtsanwälte G. die Beklagte auf, einen Kostenvorschuss i.H.v. 10.000 DM zu leisten, der auch von der Beklagten erbracht wurde.
Rechtsanwälte G. rechneten mit Schriftsatz vom 29.10.1998 den Vorgang bezüglich der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 1.4.1998 ab. Sie bewerteten die einzelnen Vertragsbestandteile wie folgt:
§ 1 Kindesunterhalt 17.760 DM
§ 2 Ehegattenunterhalt 30.240 DM
§ 3 Eigentum an Kunst- und Hausratsgegenständen 00 DM
§ 4 Hausgrundstück 1.000.000 DM
§ 5 Freistellungen und Verzichte 100.000 DM
§ 6 Verträge mit A. B. 50.000 DM
§ 7 Verfahrenskosten 20.000 DM
1.218.000 DM
Sie stellten mit diesem Gesamtgegenstandswert in Rechnung:
9/10 Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO 6.412,50 DM
9/10 Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 S. 2 BRAGO 6.412,50 DM
15/10 Vergleichsgebühr gem. §§ 11, 23 BRAGO 10.687,50 DM
Auslagenpauschale 40 DM
50 Fotokopien à 1 DM 50 DM
1269 Fotokopien à 0,30 DM 380,70 DM
23.983,20 DM
zzgl. 16 % ges. MeSteuer ...