Leitsatz (amtlich)
1. Ein Lizenzvertrag über eine Patentanmeldung kann wegen arglistiger Täuschung angefochten werden, wenn der Lizenzgeber den Lizenznehmer nicht darüber informiert hat, dass er die Patentanmeldung vor Vertragsschluss zurückgenommen hat.
2. Die Ausübung des Anfechtungsrechts ist in einem solchen Fall nicht rechtsmissbräuchlich, wenn zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung zwar eine andere Patentanmeldung vorhanden ist, diese aber eine deutlich spätere Priorität aufweist.
3. Die wirksame Anfechtung eines Lizenzvertrags führt dazu, dass Vertrag mit Wirkung ex tunc entfällt.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 13.09.2011; Aktenzeichen 2 O 252/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des LG Mannheim vom 13.9.2011 - 2 O 252/10 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage vertragliche Ansprüche auf Auskunft und Zahlung aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht geltend.
Die Klägerin befasst sich mit dem Vertrieb von diätetischen Lebensmitteln. Ein Gesellschafter der Klägerin, Herr PD Dr. med. X, entwickelte ein Nährstoffprofil für ein Proteinkonzentrat, das für Protein-Drinks zur Nahrungsergänzung verwendet werden kann. Er reichte am 4.5.2004 eine Patentanmeldung für ein Proteinkonzentrat zur Nahrungsergänzung ein. Anspruch 1 lautet:
"Proteinkonzentrat zur Nahrungsmittelergänzung, bestehend aus mindestens 80 Gewichtsprozent Aminosäuren, die als freie Aminosäuren, Oligopeptide, Polypeptide und/oder höhermolekulare Proteine vorliegen, wobei mindestens 30 Gewichtsprozent, bezogen auf das Gesamtgewicht an Aminosäuren, aus verzweigtkettigen Aminosäuren bestehen und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Leucin gleich 1: 1,4 bis 1: 2,5 und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Valin gleich 1: 1 bis 1: 2 ist."
Die unter dem Az. 10 2004 xxx geführte Anmeldung nahm er am 1.8.2005 zurück.
Herr PD Dr. X reichte am 23.8.2005 eine neue deutsche Patenanmeldung ein, die beim DPMA unter dem Az. 10 2005 xxx geführt wurde. Anspruch 1 ist dort wie folgt gefasst.
Verwendung einer Proteinzusammensetzung zur Behandlung pathologisch bedingter Proteinmangelzustände, wobei die Proteinzusammensetzung Aminosäuren, die als freie Aminosäuren, Oligopeptide, Polypeptide und/oder höhermolekulare Proteine vorliegen, aufweist und mindestens 30 Gesichtsprozent, bezogen auf das Gesamtgewicht an Aminosäuren, aus verzweigkettigen Aminosäuren besteht und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Leucin gleich 1: 1,4 bis 1: 2,5 und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Valin gleich 1: 1 bis 1: 2 ist."
Eine PCT-Anmeldung von Herrn PD Dr. X, die die Priorität der deutschen Anmeldung vom 23.8.2005 in Anspruch nimmt, liegt als Anlage K 4b vor. Deren Anspruch 1 lautet:
"Diätetische Zusammensetzung zur Behandlung physiologischer und/oder pathologischer Proteinmangelzustände mit einer Proteinzusammensetzung, die bezogen auf 100g mindestens 27,5g, vorzugsweise 30 Gewichtsprozent der verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin enthält und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Leucin gleich 1: 1,4 bis 1: 2,5 und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Valin gleich 1: 1 bis 1: 2 ist."
Diese Anmeldung gilt wegen Nichtzahlung der erforderlichen Gebühren als zurückgenommen.
Zeitgleich reichte Herr Dr. Y eine europäische Patentanmeldung ein, die beim EPA unter dem Az. EP 05018276.5 geführt wurde. Die zugehörige PCT-Anmeldung, in der als Anmelder und Erfinder Herr Dr. Y genannt ist, liegt als Anlage K 4a vor. Der Anspruch 1 lautet:
"Diätetische Zusammensetzung zur Behandlung physiologischer Proteinmangelzustände mit einer Proteinzusammensetzung, die bezogen auf 100g mindestens 27,5g, vorzugsweise 30 Gewichtsprozent der verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin enthält und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Leucin gleich 1: 1,4 bis 1: 2,5 und das Gewichtsverhältnis von Isoleucin: Valin gleich 1: 1 bis 1: 2 ist."
Herr Dr. Herberg ist Geschäftsführer der N GmbH & Co. KG. Für diese Gesellschaft war Herr PD Dr. X als Berater tätig.
Die Beklagte stellt Proteine und ähnliche Erzeugnisse her und zeigte sich interessiert daran, das Proteinkonzentrat herzustellen. Sie unterschrieb am 30.8.2005 die als Anlage K 8/B 4 vorgelegte Vereinbarung und übermittelte das von ihr unterschriebene Exemplar an Herrn PD Dr. X und an die Klägerin. Herr Dr. X unterzeichnete die Vereinbarung am 14.3.2006. Zu diesem Zeitpunkt war Frau S. Geschäftsführerin der Klägerin. Herr PD Dr. X war Gesellschafter.
Na...