Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarrechtliche Ansprüche beim Zusammentreffen von Vertiefung und Erhöhung von Grundstücken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, wenn bei benachbarten Grundstücken in Hanglage das tiefer gelegene Grundstück durch Abgrabung weiter vertieft, das höher gelegene Grundstück durch Aufschüttung weiter erhöht wurde.

2. Wer ein Grundstück vertieft, hat für eine genügende anderweitige Befestigung zu sorgen. Die Befestigung muss so geartet sein, dass das Nachbargrundstück auch eine Belastung mit solchen weiteren Anlagen verträgt, mit deren Errichtung nach den gesamten Umständen, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, vernünftigerweise zu rechnen ist.

3. Soweit eine Aufschüttung des höher gelegenen Grundstücks sich innerhalb dieses Rahmens hält, hat für die Absicherung des tiefer gelegenen Grundstücks nur dessen Eigentümer zu sorgen. Soweit weiterer Geländedruck durch eine darüber hinausgehende Aufschüttung des höher liegenden Grundstücks verursacht wurde, hat der Eigentümer des tiefer liegenden Grundstücks einen Anspruch auf Beseitigung der Störung.

 

Normenkette

BGB §§ 909, 1004; NRG BW §§ 9-10

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 29.11.2021; Aktenzeichen 3 O 144/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 29.11.2021 (3 O 144/15) unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten werden verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass von dem Erdreich einschließlich der Befestigungen und Abstützungen auf ihrem Grundstück (Flurstück ...), das sich oberhalb einer gedachten Fläche zwischen der Krone der bestehenden Stützmauer und der westlichen Oberkante der Terrasse des auf dem Grundstück der Beklagten vorhanden Wohngebäudes befindet, keine Schädigung des Grundstücks der Klägerin (Grundstück Flurstück ...) durch Absturz oder Pressung des Bodens ausgeht und eine solche Schädigung ausgeschlossen ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen beider Parteien werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Redaktionelle Bearbeitung:

Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für die Hangabsicherung an der Grenze ihrer Grundstücke.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks R-str. 29, Flustück-Nr. ..., in B. Die beiden Beklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstücks R-str. 31, Flurstück-Nr. .... Der Beklagte Ziff. 2 und der Ehemann der Klägerin waren Brüder und erhielten ursprünglich je eines dieser beiden Grundstücke, die damals schon Bauland waren, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Das Grundstück der Klägerin liegt tiefer als das Grundstück der Beklagten. Das Ausmaß der Hanglage und deren Veränderung in der Vergangenheit ist zwischen den Parteien streitig. Im Jahre 1968 ließen die Klägerin und ihr Ehemann auf ihrem Grundstück ein Haus errichten. In diesem Zusammenhang wurde das Grundstück der Klägerin an der Grenze zum Grundstück der Beklagten abgebaggert und eingeebnet. Zur Hangabsicherung wurde eine Stützmauer errichtet, wobei der hierfür erforderliche Arbeitsraum nach Abschluss der Arbeiten mit Aushubmaterial verfüllt wurde. Die Stützmauer besteht im südlichen Teil, im Bereich des Tankraumes, aus stahlbewehrtem Beton; im nördlichen Teil ist die Wand gemauert. In den 1970er Jahren errichteten die Beklagten auf ihrem Grundstück ebenfalls ein Haus. Im Jahr 1983 ließen die Beklagten oberhalb der vorgenannten Stützmauer zwei Reihen Steine (U-Steine) ohne Zustimmung der Klägerin aufsetzen. Inwieweit die Beklagten auch eine Hinterfüllung dieser Steine mit zusätzlichen Erdreich vorgenommen haben, steht zwischen den Parteien im Streit. Mit Schreiben vom 19.07.1983 wies der Ehemann der Klägerin auf die Gefahren hin, die sich aus seiner Sicht durch dieses Vorgehen ergaben. Im Jahr 2006 oder 2007 wurden auf dem Grundstück der Beklagten am Hang oberhalb der aufgesetzten Betonsteine hölzerne Palisaden eingerammt und dahinter zum Zwecke einer Bepflanzung ca. 1 m3 weiteres Erdreich eingebracht.

Schon ab dem Jahr 1986 zeigten sich bei der bis dahin nach außen intakten Stützmauer zunächst im nördlichen Bereich Ausbauchungen und auch eine Schrägstellung. Seit den Jahren 2008 und 2009 nahmen die Verformungen der vorgenannten Stützmauer zu und sie zeigt auch Risse. Es besteht die Gefahr, dass die Mauer sich weiter neigt und schließlich durchbricht.

Die Klägerin behauptet, erst durch das Setzen der Betonsteine und später der Palisaden und die dabei vorgenommenen Aufschüttungen sei die Standsicherheit ihrer Stützmauer beeinträchtigt und die Bruchgefahr hervorgerufen worden. Die Beklagten behaupten, die Stützmauer s...

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