Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Vorliegens eines unvermeidbaren Verbotsirrtums in Bezug auf einen Verstoß gegen das KWG und eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums in Bezug auf einen Verstoß gegen das RDG in Fällen, in denen der - vom Anlageempfänger einzuziehende - Rückkaufswert einer Lebensversicherung Gegenstand einer Kapitalanlage war.
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag der Kläger auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 11. Juli 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. August 2017 - 2 O 406/15 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten Ziff. 2 richtet. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.017,52 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.
Der Beklagte Ziff. 1 war als alleiniger Aktionär und als alleiniges Mitglied des Verwaltungsrats Hauptentscheidungsträger der in der Schweiz ansässigen und in Deutschland tätigen S. F. AG (im Folgenden: S. AG), deren Mitglied der Geschäftsleitung und Direktor der Beklagte Ziff. 3 war. Die S. AG bot ein als "Cashselect" bezeichnetes Anlagemodell an. Danach sollten Anleger ihre Ansprüche aus Versicherungen, Bausparverträgen und ähnlichen Kapitalanlagen an die S. AG abtreten, diese sollte die Verträge kündigen und die Auszahlungen vereinnahmen. Die Höhe des von der S. AG an den jeweiligen Anleger zu zahlenden Kaufpreises hing vom jeweils erzielten Rückkaufswert, der Laufzeit und dem Auszahlungsmodus ab. Die Gewinne der S. AG sollten durch Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien erwirtschaftet werden. Die S. AG verfügte weder über eine Bankerlaubnis nach dem Schweizer Bankgesetz noch über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) noch war sie registrierte Person im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).
Nach vorangegangener Beratung durch einen Mitarbeiter der F. F. AG unterzeichneten die Kläger am 29. Januar 2011 ein mit "Kauf- und Abtretungsvertrag" überschriebenes Formular der S. AG (Anlage K 4, I 47), das ein Angebot zur Abtretung aller Rechte und Ansprüche aus einer von der Klägerin Ziff. 2 und drei von dem Kläger Ziff. 1 abgeschlossenen Lebensversicherungen an die S. AG enthielt. Der "Kauf- und Abtretungsvertrag" sah unter anderem folgende Regelungen vor:
"§ 2 Kaufgegenstand [...]
(1) Der Verkäufer verkauft die Rechte und Ansprüche aus dem/den oben genannten Vertrag/Verträgen.
[...]
§ 3 Berechnung des Erlöses
(1) Dem Verkäufer ist bekannt, dass der Käufer die Rechte und Forderungen ggf. verwertet. [...]. Als Erlös gilt der Betrag, der vom Schuldner bzw. bei mehreren Verträgen von allen Schuldnern an die S. F. AG ausgekehrt wird.
(2) Bei Kapitalversicherungen handelt es sich dabei um den aktuellen Rückkaufswert, der von der Vertragsgesellschaft [...] auf der Basis des erstmöglichen Kündigungstermins zur Auszahlung an die S. F. AG gebracht wird.
[...]
§ 4 Höhe, Fälligkeit und Auszahlung des Kaufpreises
Auszahlung und Höhe des Kaufpreises bestimmen sich nach dem Wunsch des Verkäufers wie folgt:
[...]
Cashdirekt III (D) (ab 5.000 EUR Erlös) in einer sofortigen Zahlung in Höhe von 50 % des Erlöses. Der verbleibende Erlös wird in weiteren 120 monatlichen Zahlungen (10 Jahre) zuzüglich einer einmaligen Abschlusszahlung ausbezahlt.
[...]
Sofern der Verkäufer ein Angebot zum Kauf und zur Abtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus mehreren Vermögensanlagen [...] abgegeben hat, wird im Falle der Verwertung der verkauften Vermögensanlagen durch Kündigung mit der Auszahlung der Kaufpreise erst begonnen, wenn die Erlöse von allen Vermögensanlagen (Gesamterlös) auf dem Konto der S. F. AG eingegangen sind. [...]
§ 5 Garantien und Pflichten des Verkäufers
(1) Der Verkäufer garantiert
- dass die verkauften Forderungen und Rechte frei von Rechtsmängeln sind, die Forderungen insbesondere bestehen und einredefrei sind,
- dass aufrechenbare Gegenforderungen des Schuldners gegen die Forderungen aus den Verträgen nicht bestehen,
- dass er über die Rechte aus dem Vertrag uneingeschränkt verfügen darf, diese insbesondere nicht an andere Zessionare abgetreten oder verpfändet wurden,
- dass keine sonstigen Rechte Dritter an dem/den Vertrag/Verträgen bestehen,
- dass sämtliche fälligen Beträge und Prämien entrichtet wurden,
- dass kein unwiderrufliches Be...