Leitsatz (amtlich)

1. Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 23 Abs. 1a EuGVVO setzt von beiden Vertragspartnern eine handschriftlich unterzeichnete Willenserklärung voraus.

2. Bei einem Versendungskauf ist "Erfüllungsort" i.S.v. Art. 5 Nr. 1b EuGVVO der Sitz des Käufers, wenn die Waren dorthin geliefert werden sollten. Der nach Art. 5 Nr. 1b EuGVVO für den Gerichtsstand bedeutsame "Erfüllungsort" ist vom materiell-rechtlichen "Erfüllungsort" zu unterscheiden.

3. Eine abweichende Vereinbarung i.S.v. Art. 5 Nr. 1b EuGVVO setzt eine Vereinbarung über den Ort der tatsächlichen Lieferung voraus; eine Vereinbarung über den materiell-rechtlichen "Erfüllungsort" beeinflusst die internationale Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 1b EuGVVO hingegen nicht.

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 29.03.2007; Aktenzeichen 3 O 29/06 KfH)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des LG Waldshut-Tiengen vom 29.3.2007 - 3 O 29/06 KfH - aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin produziert und liefert Gegenstände und Materialien, die für die Lichttechnik in Gebäuden benötigt werden; hierzu gehören insbesondere Materialien für abgehängte Metalldecken. Die Klägerin hat ihren Sitz im Bezirk des LG Waldshut-Tiengen in Deutschland.

Die Beklagte hat ihren Sitz in Wien (Österreich). Sie war im Jahr 2004 mit der Durchführung verschiedener Baumaßnahmen in Wien beauftragt. Für die bei diesem Vorhaben zu errichtenden Metalldecken bezog sie Materialien von der Klägerin.

Im Zusammenhang mit den Lieferungen an die Beklagte versandte die Klägerin mehrfach Auftragsbestätigungen. Diese Auftragsbestätigungen waren nicht handschriftlich unterzeichnet. Sie nahmen (auf der Vorderseite) Bezug auf "Lieferungs- und Zahlungsbedingungen", welche jeweils auf der Rückseite der Auftragsbestätigungen abgedruckt waren. In diesem Bedingungen heißt es u.a.:

"...Gefahrübergang, Versand, Verpackung

1. Wie erfüllen unsere Lieferpflicht grundsätzlich an unserem Produktionsort, auch wenn frachtfreie Lieferung vereinbart ist. Die Gefahr geht auf den Besteller über, wenn die Ware das Werk oder das Auslieferungslager verlassen hat, das gilt auch für Teillieferungen. Verzögert sich die Auslieferung auf Veranlassung des Käufers, so geht die Gefahr bei Mitteilung Versandbereitschaft auf den Käufer über." ...

Gerichtsstand und anwendbares Recht

1. Gerichtsstand für alle Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, insbesondere für Kaufpreisansprüche, ist Schopfheim. Wir behalten uns jedoch vor, den Besteller auch an seinem Sitzgericht zu verklagen.

2. Im Übrigen gilt auch für Exportverträge deutsches Recht. Die Bestimmungen des UN-Kaufrechts CISG sind ausgeschlossen, soweit sie den vorstehenden Bedingungen nicht entsprechen. ..."

Die Klägerin hat eine Zahlungsklage zum LG Waldshut-Tiengen erhoben, mit welcher sie rechtliche Kaufpreisansprüche aus verschiedenen Lieferungen an die Beklagte geltend macht. Sie hat wegen der Lieferungen für das Bauvorhaben "..." in Wien restliche 15.809,68 EUR nebst Zinsen verlangt (im Folgenden abgekürzt: Anspruch 1) sowie weitere 12.339,64 EUR nebst Zinsen restliche Zahlungsansprüche wegen Lieferungen für das Bauvorhaben "PSK Wien" (im Folgenden abgekürzt: Anspruch 2).

Außerdem hat die Klägerin - in einem weiteren Antrag - beantragt, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Mengen von Kühldeckenelementen System "..." sie von dritter Seite bezogen hat, sowie der Klägerin aufgrund der erteilten Auskunft zu berechnenden Schadensersatz für entgangenen Gewinn (nebst Zinsen) zu zahlen (im Folgenden abgekürzt: Anspruch 3). Die Klägerin hat zur Begründung dieses Anspruchs vorgetragen, die Beklagte habe sie verbindlich beauftragt, für das Bauvorhaben "..." sämtliche Kühldeckenelemente zu liefern. Die Beklagte habe ihre Verpflichtungen aus diesem Vertrag verletzt, indem sie nur einen Teil der bestellten Kühldeckenelemente bei der Klägerin abgerufen habe. Soweit die Beklagte stattdessen entsprechende Bauteile von Dritten bezogen habe, stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zu.

Die Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit des LG Waldshut-Tiengen gerügt und - fürsorglich - Einwendungen zu Grund und Höhe der geltend gemachten Ansprüche erhoben.

Das LG hat über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt (§ 280 Abs. 1 ZPO) und mit Zwischenurteil vom 29.3.2007 die Klage für zulässig erklärt. Das LG Waldshut-Tiengen hat seine internationale Zuständigkeit bejaht. Maßgeblich sei der Gerichtsstand des Erfü...

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