Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung der Versicherungsleistung bei alkoholbedingtem Verkehrsunfall
Leitsatz (amtlich)
1. Übersieht eine Versicherungsnehmerin bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,09 Promille nachts auf einer Bundesstraße eine ausreichend ausgeschilderte Baustelle, kann dies zum Nachweis einer alkoholbedingten Fahruntauglichkeit auch dann ausreichen, wenn die Versicherungsnehmerin durch Vorgänge der Fahrzeugbedienung abgelenkt war.
2. Die Kürzung der Versicherungsleistung gem. § 81 Abs. 2 VVG hängt von einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles ab. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,09 Promille kann eine Kürzung auf 25 % in Betracht kommen.
Normenkette
VVG § 81 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen 3 O 105/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Offenburg vom 17.7.2013 - 3 O 105/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.780 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.12.2012.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht nach einem Verkehrsunfall Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Kaskoversicherung geltend. Die Beklagte hält einen Anspruch für nicht gegeben, da die Klägerin den Unfall alkoholbedingt grob fahrlässig verursacht habe.
Am 12.10.2012 befuhr die Klägerin mit ihrem Pkw Opel Tigra die Bundesstraße B 33 von Gengenbach in Richtung Offenburg. Bei einer Baustelle gab es zu der angegebenen Zeit nach der Abfahrt Zunsweier eine Fahrbahnverschwenkung nach rechts. Die Baustelle und die Fahrbahnverschwenkung waren durch entsprechende Verkehrszeichen angekündigt. Es gab einen sog. Geschwindigkeitstrichter (Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrsschilder zunächst auf 70 km/h und dann auf 50 km/h). Der Fahrbahnverlauf im Baustellenbereich war durch rot-weiß gestreifte Warnbaken markiert, wobei mindestens eine dieser Warnbaken ein gelbes Blinklicht trug, welches von weitem erkennbar war. Der Verlauf der Fahrbahn im Bereich der Verschwenkung nach rechts war durch nicht unterbrochene gelbe Linien (links und rechts der Fahrbahn sowie in der Fahrbahnmitte) markiert. Die Klägerin bemerkte die Baustelle zu spät, so dass sie im Bereich der Fahrbahnverschwenkung nicht der baustellenbedingten Straßenführung nach rechts folgte, sondern nahezu geradeaus weiterfuhr. Das Fahrzeug geriet auf die Gegenfahrbahn, und prallte dort gegen eine Betonbegrenzung. Am Pkw der Klägerin entstand Totalschaden.
Die Klägerin hatte vor Fahrtantritt bei einer Freundin mehrere Gläser Rotwein getrunken. Auf Grund einer nachträglich entnommenen Blutprobe steht außer Streit, dass die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Unfalls mindestens 1,09 Promille betrug.
Auf Grund der bei der Beklagten bestehenden Kaskoversicherung hat die Klägerin einen Anspruch i.H.v. 7.120 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Zwar sei sie auf Grund eines Fahrfehlers selbst für den Unfall verantwortlich. Der Unfall sei jedoch nicht durch Alkohol verursacht worden. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei die Scheibe im linken Bereich noch etwas beschlagen gewesen. Bei dem Versuch, die Scheibe frei zu wischen, habe sie nicht genügend auf die Fahrbahn geachtet.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Gemäß § 81 Abs. 2 VVG sei die Leistung der Beklagten aus der Kaskoversicherung auf Null zu kürzen. Die Klägerin habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Die Darstellung der Klägerin, sie habe sich um das Wischen der Frontscheibe vor dem Unfall bemüht, sei unglaubwürdig. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass sie alkoholbedingt fahruntauglich gewesen sei, und nur aus diesem Grunde dem Verlauf der Fahrbahn keine genügende Aufmerksamkeit geschenkt habe. Da die BAK nahe der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille gelegen habe, sei die Beklagte berechtigt, die Versicherungsleistung vollständig zu verweigern.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LG. Der von der Klägerin eingeräumte Fahrfehler habe nichts mit dem vorangegangenen Alkoholgenuss zu tun, sondern sei allein durch die teilweise beschlagene Frontscheibe verursacht worden. Die Klägerin ist im Übrigen der Auffassung, es stehe ihr auch dann zumindest ein Teil der Versicherungsleistung zu, wenn der Unfall alkoholbedingt verursacht worden wäre.
Die Klägerin beantragt, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.120 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.12.2012 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidig...