Entscheidungsstichwort (Thema)

Prämienanpassung in der privaten Pflegezusatzversicherung auf Grund des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes sowie im Beitragsentlastungstarif zur privaten Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den formellen Anforderungen an die Mitteilung einer Prämienanpassung in der privaten Pflegezusatzversicherung gemäß § 143 Abs. 3 SGB XI.

2. Eine wirksame Prämienanpassung gemäß § 143 Abs. 3 SGB XI bildet ab diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe.

3. Die formellen und materiellen Anforderungen an die Prämienanpassung in einem ergänzend zur substitutiven Krankenversicherung abgeschlossenen Tarif zur Beitragsentlastung im Alter richten sich nach § 203 Abs. 2 und Abs. 5 VVG (Festhaltung an OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.06.2022 - 12 U 240/21).

 

Normenkette

SGB XI § 143; VAG § 155; VVG § 203

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 16.09.2021; Aktenzeichen 1 O 175/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 16.09.2021 (1 O 175/20) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam waren:

a. die Erhöhung zum 01.01.2019 um 21,14 EUR und

b. die Erhöhung zum 01.01.2020 um 0,42 EUR;

und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.039,92 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 981,52 EUR ab dem 16.01.2021 und aus weiteren 58,40 EUR ab dem 18.01.2022.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus denjenigen Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger auf folgende Beitragserhöhungen geleistet hat:

a. im Tarif Z... auf die Erhöhung zum 01.01.2011 um 8,50 EUR für den Zeitraum 01.01.2017-01.07.2018;

b. im Tarif BEAE ... auf die Erhöhung zum 01.04.2012 um 0,62 EUR für den Zeitraum 01.01.2017-31.12.2018;

c. im Tarif BEAE ... auf die Erhöhung zum 01.04.2013 um 1,35 EUR für den Zeitraum 01.01.2017-31.12.2018;

d. im Tarif BEAE ... auf die Erhöhung zum 01.01.2015 um 5,67 EUR für den Zeitraum 01.01.2017-31.12.2018;

4. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus denjenigen Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger auf folgende Beitragserhöhungen geleistet hat:

a. im Tarif BEAE ... auf die Erhöhung zum 01.01.2019 um 21,14 EUR und

b. im Tarif BEAE ... auf die Erhöhung zum 01.01.2020 um 0,42 EUR;

herauszugeben sind aber wegen der bis zum 16.10.2020 geleisteten Zahlungen nur die bis zum 15.01.2021 gezogenen Nutzungen und wegen der weiteren, bis zum 01.12.2020 geleisteten Zahlungen nur die bis zum 17.01.2022 gezogenen Nutzungen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahren tragen der Kläger 77 % und die Beklagte 23 %. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger 88 % und die Beklagte 12 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.513,92 EUR festgesetzt, für das erstinstanzliche Verfahren bis zum 31.05.2021 auf 44.666,21 EUR, ab dem 01.06.2021 auf 16.843,39 EUR.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Wirksamkeit von Prämienanpassungen in der Kranken- und Pflegezusatzversicherung des Klägers

In erster Instanz hat der Kläger die Unwirksamkeit einer Vielzahl von Beitragsanpassungen im Zeitraum von 2012 bis 2020 geltend gemacht, darunter Erhöhungen in den Tarifen ES..., EH... und BEAE .... Er hat die Rückzahlung der hierauf bis zum 16.10.2020 geleisteten Beiträge verlangt.

Bei den Tarifen EH... und ES... handelt es sich um Zusätze zur Pflegeversicherung. Der Tarif EH... betrifft ergänzende häusliche Leistungen, der Tarif ES... ergänzende stationäre Leistungen. Das Anschreiben vom November 2016 für die Beitragsanpassung zum 01.01.2017 enthält dazu folgende Information:

Bitte beachten Sie:

Durch die Reform in der Pflegeversicherung treten zum 01.01.2017 unter anderem Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung in Kraft. Auch hierzu finden Sie alle Informationen in der beigefügten Broschüre. Bitte nehmen Sie diese zu Ihren Unterlagen.

In den mitübersandten "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2017" heißt es zu der Randbemerkung: "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Pflegeversicherung? - Leistungs- und Bedingungsänderungen in...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge