Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch des Energieversorgungsunternehmens gegen den Netzbetreiber auf Sperrung des Kundenanschlusses
Leitsatz (amtlich)
Ein Stromversorgungsunternehmen hat gegen den Stromnetzbetreiber weder aus § 24 Abs. 3 NAV noch unter dem Gesichtspunkt des § 20 EnWG einen Anspruch darauf, dass dieser bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 NAV den Stromanschluss eines Sondervertragskunden unterbricht. Dies gilt auch dann, wenn der Netzbetreiber derartige Sperren zugunsten des Grundversorgers gegenüber dessen grundversorgten Kunden durchführt.
Normenkette
EnWG § 20; NAV § 24 Abs. 3; StromGVV § 19
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 22.05.2013; Aktenzeichen 12 O 47/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Wiesbaden vom 22.5.2013 - 12 O 47/12, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte, eine Stromnetzbetreiberin, gegenüber der Klägerin, einem Energieversorgungsunternehmen, unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne entsprechende vertragliche Regelung verpflichtet ist, gegenüber Sondervertragskunden der Klägerin die Stromversorgung zu unterbrechen.
Im vorliegenden Verfahren beansprucht die Klägerin Schadensersatz, weil die Beklagte einer Aufforderung der Klägerin, die Stromversorgung eines säumigen Industriekunden, der mittlerweile insolventen Firma A GmbH (im Folgenden: A), zu unterbrechen, nicht nachgekommen ist. Des Weiteren begehrt sie die Verurteilung der Beklagten, künftig unter im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen die Anschlussnutzung eines von der Klägerin belieferten Kunden zu unterbrechen, hilfsweise Feststellung, dass die Beklagte zu einer solchen Unterbrechung verpflichtet ist.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Sperrung der Stromversorgung zu. Eine entsprechende vertragliche Regelung bestehe vorliegend nicht. Einen gesetzlichen Anspruch, seinen Kunden bei Nichtzahlung sperren zu lassen, habe lediglich der Grundversorger aus § 19 StromGVV. § 24 Abs. 3 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) betreffe lediglich das Verhältnis zum Anschlussnehmer, nicht zum Energieversorger. Das Diskriminierungsverbot in § 20 EnWG verbiete dem Netzbetreiber nicht, eine Sperrung lediglich für den Grundversorger durchzuführen. Lediglich für den Fall, dass der Netzbetreiber eine Sperrung auch für Lieferanten von Sondervertragskunden durchführe, müsse er alle Stromlieferanten von Sondervertragskunden gleich behandeln. Tatsächlich habe die Beklagte in der Vergangenheit Stromsperrungen nur für den Grundversorger vorgenommen.
Die Lieferanten von Sonderkundenverträgen hätten die Möglichkeit, sich für einen möglichen Zahlungsausfall ihrer Kunden abzusichern, etwa durch Vorleistungen oder Bürgschaften oder durch die Aufnahme einer Sperrpflicht in den Rahmenvertrag mit dem Netzbetreiber.
Im Übrigen fehle es auch an der substantiierten Darlegung eines kausalen Schadens.
Der Klageantrag zu 2) sei bereits unzulässig, da es an den Voraussetzungen des § 259 ZPO fehle.
Gegen das ihr am 24.5.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5.6.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 26.8.2013 begründet.
Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Das LG habe die tatsächlichen Gegebenheiten verkannt. Wie der Netzzugang zur Durchführung der Belieferung, so realisiere sich auch die Beendigung der Belieferung ausschließlich über den Netzbetreiber. Der Stromlieferant könne von seinem Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320 BGB nur unter Mitwirkung des Netzbetreibers Gebrauch machen.
Die Verpflichtung des Netzbetreibers nach § 20 EnWG erschöpfe sich nicht darin, den Stromlieferanten uneingeschränkt den Netzzugang zu ermöglichen, sondern er müsse auch deren Rückzugsfreiheit gewährleisten.
Unzutreffend habe das LG angenommen, es sei unstreitig, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Stromversorgung nur für den Grundversorger im Rahmen der Grundversorgung unterbrochen habe. Tatsächlich habe die Beklagte gegenüber dem Grundversorger generell, also nicht nur im Verhältnis zu dessen Haushaltskunden, sondern auch im Rahmen von Sonderkundenverträgen an Versorgungsunterbrechungen mitgewirkt. Zur Abwendung von Missbrauchsverfügungen der ... agentur habe die Beklagte auch für Drittlieferanten eine Versorgungsunterbrechung vollzogen.
Die Beklagte habe der Klägerin ...