Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Rechtsausübung bei Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem Widerspruch des Versicherungsnehmers gemäß § 5a VVG a.F. kann § 242 BGB entgegenstehen, wenn der Versicherungsnehmer über sein Recht zum Widerspruch korrekt belehrt wurde und wenn er außerdem über viele Jahre die vereinbarten Prämien bezahlt hat.

2. Für die Anwendung von § 242 BGB sind in diesem Fall die Rechtsprechungsgrundsätze zum so genannten "widersprüchlichen Verhalten" maßgeblich, die der Bundesgerichtshof für die spezielle Problematik des Policenmodells weiterentwickelt hat (BGH, NJW 2014, 2723).

 

Normenkette

VVG a.F. § 5a; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 20.01.2015; Aktenzeichen 2 O 197/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Offenburg vom 20.01.2015 - 2 O 197/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Senats und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Am 10.01.1997 stellte der Kläger bei der K. AG einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung (I 97 ff.). Die K. AG nahm diesen Antrag am 21.01.1997 an mit der Ausstellung eines Versicherungsscheins (Anlage K 2). Sie übersandte dem Kläger den Versicherungsschein mit Tarifbestimmungen, Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, Besonderen Bedingungen für die Nachversicherungsgarantie und verschiedenen weiteren Unterlagen (vgl. die Anlage K 2). Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der K. AG.

In der Zeit vom 01.02.1997 bis zum 01.07.2012 zahlte der Kläger die vereinbarten monatlichen Prämien. Mit Schreiben seines Anwalts vom 26.06.2012 erklärte er einen Widerspruch zum Versicherungsvertrag nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. und forderte die Beklagte auf, sämtliche vom Kläger gezahlten Prämien zuzüglich Nutzungen zu erstatten. Nach Ablehnung des Widerspruchs durch die Beklagte erklärte der Kläger hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung und zahlte den von ihr ermittelten Rückkaufswert aus dem Versicherungsvertrag in Höhe von 8.635,23 EUR an den Kläger.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem LG die Auffassung vertreten, sein Widerspruch gegen den Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahr 2012 sei wirksam. Die Beklagte sei daher verpflichtet - über den Rückkaufswert hinaus - sämtliche Prämien nebst Nutzungen zu erstatten. Die Zahlungspflicht der Beklagten ergebe sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung). Ein Versicherungsvertrag sei im Jahr 1997 nicht zustande gekommen, da der Beklagte auch im Jahr 2012 noch von seinem Widerspruchsrecht habe Gebrauch machen können. Die abweichende Regelung nach dem so genannten Policenmodell in § 5a VVG a.F. sei unwirksam, da sie gegen höherrangige europarechtliche Regelungen verstoße. Hilfsweise hat sich der Kläger darauf berufen, dass die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. auch deshalb nicht zu

laufen begonnen habe, weil die dem Kläger mit dem Versicherungsschein übersandte Widerspruchsbelehrung unzureichend gewesen sei.

Die Beklagte ist dem Anspruch des Klägers entgegengetreten. Die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG habe der Kläger versäumt. Die gesetzliche Regelung in § 5a VVG a.F. sei europarechtlich nicht zu beanstanden. Für den Fall, dass Bedenken gegen einen wirksamen Abschluss des Vertrages im Jahr 1997 bestehen sollten, stehe dem Anspruch des Klägers - hilfsweise - der Gesichtspunkt von Treu und Glauben entgegen. Die Beklagte habe nach der langjährigen Zahlung von Prämien durch den Kläger darauf vertrauen dürfen, dass dieser am Vertrag festhalten wolle.

Das LG hat mit Urteil vom 20.01.2015 die Zahlungsklage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung von Prämien nebst gezogener Nutzungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien sei im Jahr 1997 wirksam nach dem so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG a.F. zustande gekommen. Die gesetzliche Regelung in § 5a VVG a.F. entspreche den europarechtlichen Vorgaben. Die Frist zum Widerspruch binnen zwei Wochen nach Übersendung des Versicherungsscheins sei abgelaufen, so dass der Widerspruch des Klägers im Jahr 2012 keine rechtlichen Wirkungen habe. Insbesondere sei der Kläger mit der Übersendung des Versicherungsscheins am 21.01.1997 in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise über die Möglichkeit des Widerspruchs belehrt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an seinem erstinstanzlichen Anspruch auf Rückzahlung restlicher Versicherungsprämien nebst von der Beklagten gezogener Nutzungen fest. Die Beklagte könne sich nicht auf einen wirksamen Versicherungsvertrag berufen, da die insoweit maßgebliche Regelung in § 5a VVG a.F. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Europarecht unwirksam sei. Ggfs. s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge