Leitsatz (amtlich)
Weist ein Gitterrost zur Abdeckung eines Lichtschachtes ein so erhebliches Gewicht auf (hier: 151 kg), dass er nur mit erheblichem Kraftaufwand abgehoben und zur Seite geschoben werden kann, muss der Verkehrssicherungspflichtige die Gefahr solcher Handlungen durch Unbefugte nicht als naheliegend ansehen; er ist deshalb nicht verpflichtet, den Gitterrost durch besondere Vorkehrungen gegen ein Abheben zu sichern.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 15.04.2004; Aktenzeichen 2 O 390/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Heidelberg vom 15.4.2004 - 2 O 390/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erlitt am 4.10.2002 gegen 1:00 Uhr morgens einen Unfall, als er mit dem Fahrrad den Schulhof des K.-Gymnasiums in H. überquerte und einen Kellerschacht stürzte, dessen Abdeckung zuvor von Unbefugten entfernt worden war. Er nimmt die beklagte Stadt als Trägerin des Gymnasiums wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch und hat im ersten Rechtszug Schmerzensgeld (vorgestellte Größenordnung: 8.000 EUR) und Ersatz materiellen Schadens, den er mit 2.969,21 EUR bezifferte, sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftigen materiellen und immateriellen Schadens verlangt.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 3.000 EUR als Schmerzensgeld und 923,71 EUR als Ersatz materiellen Schadens nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte der künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen. Die weiter gehende Klage hat das LG abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt und beantragt nunmehr,
a) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.847,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2003 zu zahlen und
b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den Unfall vom 4.10.2002 auf dem Schulhofgelände des K.-Gymnasiums in H. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.
Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, dagegen ist die gleichfalls zulässige Anschlussberufung zurückzuweisen. Die beklagte Stadt war nicht verpflichtet, die Lichtschachtabdeckung durch besondere Vorkehrungen, etwa durch im Beton des Kellerschachtes verankerte Halterungen, gegen ein Abheben durch Unbefugte zu sichern und ist dem Kläger deshalb nicht für den ihm entstandenen Schaden verantwortlich.
1. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen hat jeder, der Gefahrenquellen schafft oder unterhält, die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen. Diese Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht schon durch jede bloß theoretische Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst. Weil eine jeglichen Schadensfall ausschließende Verkehrssicherung nicht erreichbar ist und auch die berechtigten Verkehrserwartungen nicht auf einen Schutz vor allen nur denkbaren Gefahren ausgerichtet sind, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen des konkreten Falles zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Die Nichtabwendung einer Gefahr begründet daher eine Haftung des Sicherungspflichtigen nur dann, wenn sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können. Unter dieser Voraussetzung umfasst die Pflicht des für ein Grundstück oder Gebäude Verantwortlichen grundsätzlich auch solche Gefährdungen, die sich aus dem vorsätzlichen Eingreifen eines Dritten ergeben (BGH v. 19.12.1989 - VI ZR 182/89, MDR 1990, 611 = VersR 1990, 498 [499], m.w.N.).
2. Zutreffend nimmt das LG, von diesen Grundsätzen ausgehend, an, dass die Abdeckung eines Lichtschachtes, die - wie hier - nicht schon versehentlich, sondern nur bewusst aus ihrer Ablage gelöst werden kann, nur dann durch besondere Vorkehrungen, etwa durch in der Wand des Kellerschachtes verankerte, von außen nicht zugängliche Befestigungen, gegen ein A...