Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung des (merkantilen) Minderwerts eines vom sog. Abgasskandals betroffenen Fahrzeugs, wenn der Käufer gegenüber dem Händler die Minderung des Kaufpreises erklärt hat und vom Hersteller den sog. kleinen Schadensersatz fordert.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit dem Kauf eines von dem sog. "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs.
Die Beklagte Ziff. 2 stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor mit der Abgasnorm Euro 5 her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.
Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstands der Beklagten Ziff. 2 nicht nur in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten Ziff. 2 verbaut, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen, ua auch in von der A. AG (im Folgenden: A.) hergestellten Fahrzeugen.
Mit Kaufvertrag vom 24. Februar 2012 (Anlage K 1) erwarb die Klägerin von der Beklagten Ziff. 1 - einem Autohaus - ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke A., Typ A zu einem Kaufpreis von 22.500 EUR. Das Fahrzeug mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) xxx wurde der Klägerin am 23. März 2012 übergeben und wies zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 15.015 auf. In dem Fahrzeug ist auf Veranlassung des Vorstandes der Beklagten Ziff. 2 der o.g. Dieselmotor des Typs EA 189 mit 2,0 Litern Hubraum verbaut, dessen Motorsteuerung im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin die o.g. Software zur Abgassteuerung enthielt.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten Ziff. 2 "zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der [...] Typengenehmigung [...] des Typs EA 189 EU5" die "unzulässigen Abschalteinrichtungen" zu entfernen und drohte damit, andernfalls "die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen". Zugleich wurde die Beklagte Ziff. 2 verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2016 (Anlage B 4, Anlagenband Beklagte Ziff. 1) bestätigte das KBA der Beklagten Ziff. 2 gegenüber ua für das erworbene Fahrzeug, dass die in Reaktion auf den Bescheid vom 15. Oktober 2015 von der Beklagten Ziff. 2 entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet sind, die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen.
Mit Anwaltsschreiben vom 19. Juli 2016 (Anlage K 1a) forderte die Klägerin die Beklagte Ziff. 1 zum einen auf, ihre Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz für Schäden anzuerkennen, die aus der Manipulation der Software des erworbenen Fahrzeugs resultieren. Zum anderen begehrte sie die Abgabe eines Anerkenntnisses dahingehend, dass ihr aus dem mit der Beklagten Ziff. 1 geschlossenen Kaufvertrag über das erworbene Fahrzeug ein Minderungsrecht zusteht.
Die Beklagte Ziff. 1 gab die geforderten Erklärungen nicht ab und verwies in ihrem Antwortschreiben vom 21. Juli 2016 (Anlage K 1b) ua darauf, dass das Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit sowie uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar sei sowie darauf, dass der "V. Konzern" bereits "technische Maßnahmen für die betroffenen EA 189-Motoren" entwickelt habe. Über die für ihr Fahrzeug konkret vorgesehen Maßnahmen werde die Klägerin sobald wie möglich informiert werden.
Mit Schreiben der A. AG vom 21. September 2016 wurde die Klägerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit ihres Fahrzeugs ein Softwareupdate vorliege. Zugleich wurde sie aufgefordert, einen Termin zum Aufspielen des Softwareupdates bei einem A.-Servicepartner zu vereinbaren.
Mit ihrer im September 2017 bei dem Landgericht eingegangenen und den Beklagten im Oktober 2017 zugestellten Klage hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt Folgendes begehrt:
Die Beklagtenparteien werden verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs A. A, FIN:xxx, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens EUR 5.625,00 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten...