Entscheidungsstichwort (Thema)
Pachtvorvertrag mit Verpflichtung des künftigen Verpächters zum Erwerb von Pachtgrundstücken: Frage der Formbedürftigkeit - Anforderungen an die Bestimmtheit/Bestimmbarkeit - Bindungswirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Verträge sind auch dann formbedürftig, wenn mit ihnen ein indirekter Zwang zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags dadurch ausgeübt werden soll, dass für den Fall des Nichtabschlusses ein empfindlicher Nachteil vereinbart wird.
2. Nicht formbedürftig sind Verträge, bei denen sich ein faktischer Zwang zum Erwerb von Grundbesitz nicht aus einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung des Nachteils, sondern allein aus der Möglichkeit gesetzlicher Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzansprüche bei Nichterwerb ergeben kann.
3. Für das bei einem gültigen Pachtvorvertrag notwendige Maß an Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts ist die Festlegung von Pachtgegenstand, Vertragsdauer und Pachtzins erforderlich und ausreichend.
4. Ein Vorvertrag, der nur einen Teil der von den Vertragsparteien als regelungsbedürftig angesehenen Punkte umfasst, ist dann bindend, wenn sich die Beteiligten insoweit bereits verpflichten wollten und die Ausgestaltung der übrigen von ihnen nicht als wesentlich angesehenen offenen Punkte einer späteren Einigung vorbehalten wollten.
5. Die bindende Wirkung eines von einer Gemeinde abgeschlossenen Pachtvorvertrags wird durch eine spätere Änderung in der politischen Willensbildung des Gemeinderats nicht berührt.
Normenkette
BGB a.F. § 313; BGB § 154 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 26.01.2006; Aktenzeichen 2 O 167/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Offenburg vom 26.1.2006 (2 O 167/05) wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Pachtvertrages mit folgendem Inhalt anzunehmen:
Pachtvertrag
§ 1 Gegenstand
Die Gemeinde M. verpachtet mit sofortiger Wirkung folgende Grundstücke im Gewann R. der Gemarkung M. an die Firma Z. GmbH mit Sitz in M.:
Flurstück |
Flächengröße (m 2 ) |
Abbavolumen (m 3 ) |
Abbaufläche 1 |
|
|
2291 |
208 |
3.340 |
2298 |
36.541 |
717.000 |
2300 |
15.640 |
228.800 |
2307/1 |
3.534 |
10.200 |
Summe |
55.923 |
959.340 |
Flurstück-Nr. |
Größe ar |
|
2200 |
24,07 |
|
2204 |
39,79 |
|
2231 |
62,77 |
|
2250 |
60,49 |
|
2253 |
10 |
|
2258 |
23,61 |
|
2259 |
9,95 |
|
2191 |
8,52 |
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Feldwegeanteil ca. |
2 |
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241,2 ar |
2,41 Hektar |
§ 2 Vertragsgemäßer Gebrauch
Die Verpachtung erfolgt zum Zwecke des Sand- und Kiesabbau nach den Regeln der Technik im Rahmen der erforderlichen öffentlich-rechtliche Genehmigungen.
§ 3 Dauer
(1) Die Pacht beginnt an dem auf den Eintritt der Rechtskraft des Urteils des OLG Karlsruhe (Az. 14 U 53/06) folgenden Monatsersten, frühestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf den Zeitpunkt folgt, zu dem der Pächterin alle von ihr selbst einzuholenden öffentlich-rechtlichen Genehmigungen für einen Sand- und Kiesabbau vorliegen.
(2) Der Vertrag wird auf die Dauer von zunächst 15 Jahren geschlossen.
(3) Die Verpächterin räumt der Pächterin ein Optionsrecht auf Verlängerung des Pachtverhältnisses um weitere 10 Jahre ein. Die Erklärung der Pächterin, dass sie das Optionsrecht auf Verlängerung des Pachtverhältnisses ausübe, muss bei der Verpächterin spätestens sechs Monate vor Beendigung der in § 3 (2) dieser Vertragsurkunde vereinbarten Vertragslaufzeit eingegangen sein. Die Erklärung muss schriftlich durch eingeschriebenen Brief erfolgen.
Nach ungekündigtem Ablauf der vorgenannten Pachtzeit gelten die gesetzlichen Vorschriften mit der Möglichkeit der Kündigung gem. § 584 ff. BGB.
§ 4 Pachtzins
Der Pachtzins wird berechnet wie in dem Vertrag zwischen der Verpächterin mit der Firma R. GmbH über Auskiesungsflächen auf der Gemarkung M.
§ 5 Förderabgabe
Die Pächterin bezahlt monatlich eine Förderabgabe an die Verpächterin i.H.v. mindestens 0,47 EUR pro Tonne geförderten Kies und Sand. Sollte ein von der Verpächterin zu beauftragender Gutachter zu dem Ergebnis gelangen, dass eine höhere Förderabgabe angemessen ist, verpflichtet sich die Pächterin diese vom Gutachter ermittelte Höhe Förderabgabe pro Tonne zu bezahlen.
§ 6 Umgehungsstraße
Die Pächterin verpflichtet sich, den Unterbau einer Umgehungsstraße von dem auf dem Pachtgegenstand geplanten Kieswerk bis zu der Verbindungsstraße M-I nach den Regeln der Technik auf eigene Kosten in Abstimmung mit der Verpächterin teerfertig herzustellen, so dass die Verpächterin auf ihre Kosten lediglich noch die Schwarzdecke für diesen Straßenteil aufzubringen hat. Wegen der Streckenführung der Straße wird Bezug genommen auf die zeichnerische Darstellung im Flächennutzungsplan 1988.
§ 7 Sonstiges
Die Pächterin beantragt alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und betreibt das Planfeststellungsverfahren sowie das Verfahren nach Wasserhaushaltsgesetz - soweit noch nicht geschehen - auf eigene Kosten und Rechnung. Sämtliche von den zuständigen Behörden im Zusammenhang mit diesen Genehmigungen erforderlichen Auflagen erfüllt die Pächterin auf eigene Kosten, dies gilt insb. auch für einen Lärmschutzwa...