Leitsatz (amtlich)
1. Zur Rechtsfähigkeit einer Evangelischen Kirchengemeinde nach der Kirchenverfassung der EKM.
2. Bei einer nicht frei zugänglichen und in ihren Grundstücksgrenzen nicht mehr erkennbaren Pachtfläche genügt zur Rückgabe der Pachtsache bei Pachtende nicht die einseitige Erklärung des Pächters, dass er ein Recht zum Besitz an diesen Flächen nicht mehr geltend mache.
3. Für die Zeit der unberechtigten Nutzung der Pachtflächen durch den Altpächter hat die Verpächterin einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des mit dem Altpächter vereinbarten Pachtzinses und einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz wegen der verspäteten Rückgabe in Höhe der Differenz zu dem mit dem Neupächter vereinbarten Pachtzins.
4. Ob der zuletzt genannte Schadensersatzanspruch weitere Schadenspositionen umfasst, hängt maßgeblich auch von den Regelungen des Landpachtvertrages mit dem Neupächter ab.
5. Ein etwaiger Anspruch der Verpächterin gegen den Altpächter auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen nach §§ 990 Abs. 1, 987 Abs. 1 BGB umfasst nicht die vom Altpächter erlangten betriebsbezogenen Agrarfördermittel.
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Urteil vom 16.11.2021; Aktenzeichen 10 Lw 8/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. November 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Wernigerode teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) folgende Grundstücke, alle belegen in der Gemarkung E., herauszugeben:
aa. Flurstück 19 der Flur 1,
bb. Flurstück 14 der Flur 3,
cc. Flurstück 24 der Flur 3 mit 1.8065 ha (A) und 0,1625 ha (SO),
dd. Flurstück 135/14 der Flur 3;
b) folgende Zahlungen zu leisten:
aa. 254,88 EUR nebst Zinsen jeweils in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 127,44 EUR seit dem 2. Oktober 2019 und aus weiteren 127,44 EUR seit dem 2. Oktober 2020,
bb. 1.528,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2019,
cc. 1.528,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2020,
dd. 1.656,14 EUR nebst Zinsen jeweils seit dem 15. Oktober 2021 in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.528,70 EUR sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus weiteren 127,44 EUR;
e) einen weiteren Betrag in Höhe von 413,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2021.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin zu 34 % und die Beklagte zu 66 % zu tragen.
III. Das Urteil des Senats ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Prozessparteien streiten über Ansprüche der Klägerin als Verpächterin gegen die Beklagte als Pächterin nach einem beendeten Landpachtverhältnis.
Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 07.08.2009 einen schriftlichen Pachtvertrag über drei landwirtschaftliche Grundstücke und zwei Teilflächen eines vierten Grundstücks, jeweils in der Gemarkung E. belegen, mit einer Gesamtgröße von 4,1939 Hektar zu einem Jahrespachtzins von 1.528,70 EUR. Es wurde eine Pachtzeit von neun Jahren vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2018 vereinbart. Die Anwendung des § 594 Satz 2 BGB wurde ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 PV). Zu den Produktions- und Lieferrechten verabredeten die Parteien u.a. in § 7:
"(3) Die dem Pachtgegenstand zugeteilten bzw. bestehenden öffentlich-rechtlichen Produktions- und Lieferrechte, die auf die landwirtschaftliche Erzeugung zurückgehen, sind bei Beendigung des Pachtverhältnisses der Verpächterin oder einem von ihr zu benennenden Dritten in vollem Umfang kostenfrei zur Übertragung anzubieten.
(4) Die für den Pachtgegenstand vom Pächter selbst während diesem oder einem vorhergehenden Pachtverhältnis erworbenen öffentlich-rechtlichen und/oder privaten Produktions- und Lieferrechte, die auf die landwirtschaftliche Erzeugung zurückgehen, sind bei Beendigung des Pachtverhältnisses der Verpächterin selbst oder einem von ihr zu benennenden Dritten in vollem Umfang zur Übertragung anzubieten. Der Pächter hat Anspruch auf den unverzinsten Verwendungsersatz."
Für den Umgang mit den Prämienrechten und Zahlungsansprüchen regelten die Parteien in § 8:
"(1) Der Pächter verpflichtet sich, sämtliche Prämienrechte bzw. Zahlungsansprüche, die dem Pachtgegenstand aus Anlass und im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung durch den Pächter zugeteilt werden können, geltend zu machen und diese zu erhalten.
(2) Bei Beendigung des Pachtverhältnisses hat der Pächter sämtliche Prämienrechte bzw. Zahlungsansprüche, die ihm aufgrund der Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes zugeteilt wurden, der Verpächterin selbst oder einem von ihr zu benennenden Dritten in vollem Umfang zur Übertragung anzubieten. Der P...