Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht; Bereichszuständigkeit; Schiffsgläubigerrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vermietet der Eigentümer einen Schubleichter und entsteht bei dessen Verwendung durch den Mieter in Folge unzureichender Fixierung der Lukenabdeckbleche einem Dritten ein Sturmschaden an und in einem Gebäude, so haftet der Mieter und nicht der Eigentümer des Schubleichters wegen der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Auf das Bestehen eines wirksamen ausdrücklichen Übernahmevertrages kommt es nicht an. Vielmehr kann sich die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht konkludent aus der Übernahme der gefahrbringenden Sache und dem Übergang der Bereichszuständigkeit ergeben.

2. Ein Schiffsgläubigerrecht entsteht gem. § 102 Nr. 5 BinSchG nur für Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (§ 3 BinSchG), nicht aber, wenn ein Schiffseigner oder ein Ausrüster, ohne Mitglied der Schiffsbesatzung zu sein, einen Schaden schuldhaft herbeiführt. Dessen - mangels Existenz einer Schiffsbesatzung - eigenes schuldhaftes Unterlassen, jemanden zu beauftragen, zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht für eine sichere Verankerung der Lukenabdeckung eines Schubleichters zu sorgen, kann daher ein Schiffsgläubigerrecht nicht begründen.

 

Normenkette

BGB §§ 216, 823 Abs. 1; BinSchG §§ 2-3, 102 Nr. 5, § 103

 

Verfahrensgang

AG Kehl (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen 4 C 720/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG - Schifffahrtsgericht - Kehl vom 30.11.2004 - 4 C 720/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aufgrund eines Sturmschadens am 27.10.2002 im Kehler Hafengebiet in Anspruch. Die Beklagte ist Eigentümerin des Schubleichters "V", einem unbemannten, 1982 gebauten Boot. Dieses und drei weitere Schubleichter überließ sie für 180 Tage der Firma B. (Streitverkündete).

Die Klägerin betreibt im Hafen Kehl Lager- und Umschlagsanlagen und unterhält Silos und Lagerbunker sowie Freilagerflächen und hatte an die Firma B. eine Zementumschlaganlage vermietet.

Die Firma B. ließ die gemieteten Schubleichter nach einer Inspektion durch die Firma E. mit Zement beladen und am 27.4.2002 durch Schubboote der Reederei C. zunächst in den Hafen Straßburg und Anfang Oktober 2002 von Straßburg in den Hafen Kehl bringen, wo der Zement nach und nach von der Klägerin je nach freier Kapazität umgeschlagen werden sollte.

Während drei Schubleichter bereits entladen waren, lag SL "V" am 27.10.2002 noch voll beladen im Kehler Hafen an einem der Hafenverwaltung gehörenden Kai in unmittelbarer Nähe des Geländes der Klägerin. Durch einen Sturm am Abend dieses Tages wurden zunächst ein Lukendach und dann in einer Kettenreaktion 16 weitere Lukendächer des Schubleichters abgedeckt und durch die Luft gewirbelt, wobei ein mit einem Rollladen versehenes Fenster im zweiten Stock des Bürogebäudes der Klägerin durchschlagen und dort befindliche Gegenstände sowie die Hausfassade und ein Kran der Klägerin beschädigt wurden.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass es die Beklagte als Eigentümerin von SL "V" pflichtwidrig unterlassen habe, für eine ordnungsgemäße Abdeckung und Sicherung der Lukendächer zu sorgen. Es hätte ihr auffallen müssen, dass die Lukendächer nicht durch Stahlseile gesichert und an einigen Lukendächern nicht alle Befestigungsbügel vorhanden gewesen seien, was auch der von ihr beauftragte Sachverständige H. festgestellt habe. Die Beklagte hafte zudem als Schiffseignerin i.S.v. § 2 Abs. 2 BinSchG.

Sie selbst trage für den Schaden keinerlei Verantwortung, da der Schubleichter zum Zeitpunkt des Sturms noch voll beladen und von ihr noch nicht in Gewahrsam genommen worden sei. Er habe vielmehr noch am Schwergutumladeplatz der Hafenverwaltung gelegen, wohin er auf Veranlassung der Firma B. gebracht worden sei. Kenntnis vom genauen Standort des Schubleichters habe sie zum Zeitpunkt des Sturms nicht gehabt.

Durch die Pflichtverletzung der Beklagten sei ihr ein Gesamtschaden i.H.v. 21.959,59 EUR entstanden. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr diesen Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 21.959,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2002 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt dazu vor, dass sie nicht passiv legitimiert sei, da sie zwar Eigentümerin des Schubleichters, nicht aber Schiffseignerin i.S.d. Binnenschifffahrtsgesetz sei; denn nicht sie selbst, sondern die Firma B. habe das Schiff zur Schifffahrt verwendet.

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