Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zulässigkeit einer Berufung, wenn nach erstinstanzlicher Abweisung einer Feststellungsklage auf Feststellung des Nichtzustandekommens (§ 5a VVG a.F.) eines Lebensversicherungsvertrags nunmehr mit der Berufung auf eine Leistungsklage (Stufenklage) umgestellt wird.

2. Die Widerspruchsfrist des § 5a VVG a.F. beginnt nicht zu laufen, wenn mit dem Versicherungsschein eine gebotene Verbraucherinformation über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung (Sicherungsfonds) nicht erteilt wurde.

3. Zur möglichen Berechnungsweise des Herausgabeanspruchs nach wirksamem Widerspruch gemäß §§ 5a VVG a.F., 812 BGB ausgehend von dem Deckungskapital / Fondsguthaben im Zeitpunkt des Widerspruchs.

4. Zum Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, welche aus dem Verwaltungskostenanteil gezogen wurden, und zu deren Berechnung anhand der Nettoverzinsung.

5. Zum Umfang eines Auskunftsanspruchs gemäß §§ 242, 812 BGB nach wirksamem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11.07.2017 - 8 O 299/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den Teilvergleich vom 12.11.2018 hinaus weitere 7.531,93 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a.

  • aus 5.620,81 EUR seit 17.03.2016
  • aus jeweils weiteren 78,26 EUR seit 03.03.2016, 02.04.2016, 02.05.2016, 02.06.2016 und 02.07. 2016,
  • aus jeweils weiteren 82,84 EUR seit 02.08.2016 und 02.09.2016,
  • aus jeweils weiteren 83,04 EUR seit 02.03.2017, 04.04.2017, 03.05.2017, 02.06.2017, 04.07.2017, 02.08.2017, 02.09.2017, 02.10.2017, 02.11.2017 und 02.12.2017,
  • aus jeweils weiteren 87,29 EUR seit 03.01.2018, 02.02.2018, 02.03.2018, 04.04.2018, 03.05.2018 und 02.06.2018.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich angefallene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 255,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 08.09.2016 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die weitergehende Klage abgewiesen.

II. Die Kosten beider Instanzen und des Teilvergleichs vom 12.11.2018 werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrte zunächst die Feststellung des Nichtbestehens von zwei Rentenversicherungsverträgen. Im Berufungsverfahren beansprucht die Klägerin nach Teilvergleich vom 12.11.2018 zuletzt noch Auskunft und Zahlung aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertrags Nr. ... 022 aufgrund erklärten Widerspruchs bzw. Widerrufs.

Die Klägerin schloss im Jahr 2007 mit Versicherungsbeginn zum 01.08.2007 im sog. Policenmodell mit der Beklagten einen fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag (... Vers.-Nr. ... 022) ab. Auf Seite 4 des der Klägerin übersandten Versicherungsscheins vom 13.08.2007 findet sich oberhalb der Unterschrift nachstehender, eingerahmter, fettgedruckter Hinweis:

Widerspruchsrecht

Sie haben nach § 5a Versicherungsvertragsgesetz das Recht, innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung aller Vertragsunterlagen in Textform zu widersprechen. Dies kann z. B. durch einen Brief, ein Fax oder eine E-Mail geschehen. Maßgebend für die Rechtzeitigkeit Ihres Widerspruches ist dessen Absendedatum. Das Widerspruchsrecht bezieht sich nicht auf einen besonders beantragten sofortigen Versicherungsschutz. Widersprechen Sie nicht, so gilt Ihr Vertrag auf der Grundlage dieses Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen.

Wegen der genauen Einzelheiten, insbesondere der grafischen Gestaltung, wird auf den als Anlage K 1 vorgelegten Versicherungsschein verwiesen.

In der Folgezeit zahlte die Klägerin die Versicherungsbeiträge regelmäßig ein, bis Februar 2016 ca. 6.800,00 EUR. Mit Schreiben vom 29.02.2016 widersprach die Klägerin dem Zustandekommen des Vertrages.

Die Klägerin schloss im Jahr 2009 mit Versicherungsbeginn zum 01.10.2009 einen weiteren fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag (... Vers.-Nr. ... 032) ab. Die Parteien haben hierzu am 12.11.2018 einen Teilvergleich geschlossen.

Die Klägerin hat - bezüglich des nach Teilvergleich allein noch relevanten Vertrags mit der EZ 022 - ausgeführt, dass die in den Versicherungsschein aufgenommene Belehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe und ihr deshalb ein unbefristetes Widerspruchsrecht zustehe, welches sie auch im Jahr 2016 noch uneingeschränkt habe ausüben können. Dies folge auch aus der Unvollständigkeit der erteilten Verbraucherinformation.

Da die Beklagte der Wirksamkeit der ausgeübten Vertragsgestaltungsrechte entgegenge...

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