Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Unterhaltsanspruchs bei verfestigter Lebensgemeinschaft. Nachehelicher Unterhalt: Verwirkung bei einer verfestigten neuen Lebensgemeinschaft trotz getrennter Wohnungen. Abänderbarkeit einer Vereinbarung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
Zur Beschränkung eines Unterhaltsanspruchs gem. § 1579 Nr. 2 BGB, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.
Normenkette
BGB §§ 313, 1578b Abs. 2, § 1579 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 1 F 472/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG - FamG - Karlsruhe vom 20.12.2007 (1 F 472/06) unter Ziff. 3 wie folgt abgeändert:
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der am 11.4.1940 geborene Antragsteller und die am 12.8.1948 geborene Antragsgegnerin haben am 22.8.1969 die Ehe geschlossen. Die Ehe ist kinderlos geblieben. Die räumliche Trennung der Eheleute erfolgte am 1.8.1993; seit dieser Zeit leben die Parteien getrennt. Die Antragsgegnerin, Bibliotheksangestellte, war während der Ehe mit Ausnahme eines Zeitraumes von ca. 4 Jahren, in denen sie 36 Stunden pro Woche arbeitete, ganztags berufstätig. Der Antragsteller war bis zu seiner Dienstunfähigkeit als Beamter bei der Stadt Pforzheim tätig; zum 1.10.1997 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Am 19.3.1997 haben die Parteien - der Antragsteller war zum damaligen Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten, die Antragsgegnerin wurde von ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten beraten, der auch die Vereinbarung entworfen hat - eine notarielle Vereinbarung ("Ehevertrag/Getrenntlebensvertrag/Ehescheidungsfolgenvereinbarung und Zuwendungsvertrag") geschlossen. Diese enthält u.a. folgende Bestimmungen:
1. Ehevertrag ...
2. Ehegattenunterhalt
Für die Dauer des Getrenntlebens und für den Fall einer etwaigen Scheidung zahlt der Ehemann an die Ehefrau einen Ehegattenunterhalt i.H.v. 700 DM ... beginnend ab März 1997 ...
Die Parteien legen der Unterhaltsberechnung ihre derzeitigen Einkommensverhältnisse und Steuerklassen zugrunde und berücksichtigen ... Die Parteien behalten sich die Abänderung dieser Ehegattenunterhaltsvereinbarung für den Fall vor, dass eine wesentliche Änderung ihrer Verhältnisse eintritt. Als wesentlich soll eine Veränderung dann gelten, wenn eine Änderung von mehr als 10 % eintritt ...
4. Versorgungsausgleich
Für den Fall einer etwaigen späteren Scheidung unserer Ehe soll der Versorgungsausgleich in Abweichung der gesetzlichen Regelung dergestalt durchgeführt werden, dass als Ehezeit für die Berechnung des Versorgungsausgleichs die Zeit ab dem 01. des Monats in dem wir geheiratet haben bis zum 28.2.1997 gelten soll.
Die spätere Dienstunfähigkeit des Antragstellers war bei Abschluss der Vereinbarung nicht vorhersehbar.
Die Antragsgegnerin unterhält seit Sommer 2002 eine Beziehung zu R. Dieser verlegte im Jahr 2003 seinen Wohnsitz in die Nähe der Wohnung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit der Altersteilzeit Gebrauch gemacht. Bis zum 31.8.2008 war sie wöchentlich 38,5 Stunden tätig; ab dem 1.9.2008 bis zum Erreichen des Rentenalters ist sie bei gleichen Bezügen freigestellt. Die damit verbundene Einkommenseinbuße gibt sie mit ca. 300 EUR monatlich an.
Bis einschließlich Juni 2007 leistete der Antragsteller monatlichen Unterhalt i.H.v. 700 DM/357,90 EUR an die Antragsgegnerin. Im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 zahlte er noch monatlich 100 EUR; danach hat er die Zahlungen eingestellt.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens nachehelichen Unterhalt i.H.v. 357,90 EUR monatlich begehrt. Sie hat hierzu vorgetragen, sie habe im Vertrauen auf die zugesagte Unterhaltsleistung bis zum Erreichen des Rentenalters die Altersteilzeit nach dem Blockmodell gewählt, was irreversibel sei. Sie hätten damals bei Abschluss der notariellen Vereinbarung im Hinblick auf ihre beiderseitigen Einkommensverhältnisse bewusst diese Unterhaltsvereinbarung getroffen und im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung so auch gewollt. Ihre Bekanntschaft mit R. erfülle nicht die Kriterien einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, So führten sie keine gemeinsame Kasse, jeder trage die Kosten gemeinsamer Unternehmungen selbst. Sie und ihr Freund seien aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit entschlossen, nicht zusammen zu leben.
Der Antragsteller hat vorgetragen, Ehegattenunterhalt stehe der Antragsgegnerin nicht mehr zu. Seine Einkommensverhältnisse hätten sich seit Abschluss des Vertrages erheblich verschlechtert. Zudem habe die Antragsgegnerin seit 2002 einen festen Freund, mit dem sie - unstreitig - regelmäßig Urlaube verbringe, fast jedes Wochenende Ausflüge mache, Verwandte und gemeinsame Bekannte besuche und nahezu ihre gesamte Freizeit...