Leitsatz (amtlich)

1. Zum Umfang und zum Ausschluss der Vertretungsbefugnis der (rechtlichen) Eltern im Vaterschaftsanfechtungsverfahren.

2. Die Vaterschaftsanfechtungsfrist beginnt für das Kind nicht durch Kenntniserlangung der gegen die Vaterschaft sprechenden maßgeblichen Umstände in der Person des von der Vertretung des Kindes in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren ausgeschlossenen Elternteils zu laufen.

Die Vaterschaftsanfechtungsfrist beginnt für das Kind durch Kenntniserlangung der gegen die Vaterschaft sprechenden maßgeblichen Umstände in der Person des Ergänzungspflegers frühestens mit dem Zeitpunkt der Bestellung zum Ergänzungspfleger.

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Beschluss vom 30.09.2014; Aktenzeichen 205 F 294/14)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Stadt... [Y] gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Koblenz vom 30.9.2014 wird zurückgewiesen.

2. Von der Erhebung gerichtlicher Kosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das Kind... [A], geboren am... 2004, beantragt die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zum Zwecke der Anfechtung der Vaterschaft. Sie geht davon aus, ihr Vater sei nicht der Ehemann ihrer Mutter sondern der inzwischen am 3.5.2014 verstorbene Dr... [B], vormals... [Z].

Im Verfahren 191 F 636/11 vor dem AG Koblenz war im Rahmen eines Umgangsantrags des Dr... [B] im Einvernehmen der Beteiligten ein Abstammungsgutachten eingeholt worden (Eingang bei Gericht am 6.8.2012), das die Vaterschaft des rechtlichen Vaters, des Ehemannes der Mutter des Kindes, ausschloss, nicht aber die Vaterschaft des Dr... [B]. Für diese spreche ein Wahrscheinlichkeitswert von über 99,999 %; seine Vaterschaft sei damit praktisch erwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss bestellte das AG die Stadt... [Y] - Jugendamt - zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis Vertretung in der Vaterschaftsanfechtung. Hiergegen wendet sich die Stadt... [Y]. Sie vertritt die Auffassung, die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft sei abgelaufen, weil sowohl der Mutter, als auch dem rechtlichen Vater und auch dem biologischen Vater die Tatsachen über die biologische Vaterschaft seit weit über zwei Jahren bekannt gewesen seien. Jedenfalls seien sie, wenn man - unrichtig - auf den Kenntnisstand des Ergänzungspflegers abstellen wolle, auch dem Jugendamt der Stadt... [Y] als zu bestellenden Ergänzungspfleger mindestens seit Januar 2012 bekannt. Aus diesem Grunde sei die Stadt wegen Verfristung an der Anfechtung der Vaterschaft gehindert und deshalb nicht zum Ergänzungspfleger zu bestellen. Schließlich habe das AG bei Auswahl des Pflegers sein Ermessen nicht ausgeübt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 1909 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an der Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Für die nach § 1909 anzuordnende Pflegschaft gelten die Vorschriften über die Berufung zur Vormundschaft nicht (§ 1916 BGB).

2. Nach § 1600a Abs. 3 BGB kann für ein geschäftsunfähiges oder in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind nur der gesetzliche Vertreter die Vaterschaft anfechten. Gesetzliche Vertreter des Kindes sind hier seine Mutter und sein - rechtlicher - Vater (§ 1629 Abs. 1 BGB). Beide sind jedoch in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren an der gesetzlichen Vertretung gehindert.

a. Der rechtliche Vater, hier also der Ehemann der Mutter des Kindes, ist bei der Anfechtung durch andere Berechtigte, hier durch das Kind, nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (vgl. BGH - FamRZ 2012, 859). Der BGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, auch nach der Änderung des Verfahrensrechts, wonach Abstammungssachen nicht mehr als Streitverfahren zu begreifen sind, sei der in § 1795 Abs. 2 BGB i.V.m. § 181 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke auf den Ausschluss des rechtlichen Vaters von der gesetzlichen Vertretung des Kindes weiter anzuwenden. Der Vater könne nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sein, wenn das Verfahren auf die Beseitigung des zwischen ihm und dem Kind bestehenden Statusverhältnisses gerichtet sei.

b. Die Mutter ist nach dem in § 1795 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB enthaltenen Rechtsgedanken ebenso von der gesetzlichen Vertretung dann ausgeschlossen, wenn sie mit dem - rechtlichen - Vater verheiratet ist (BGH, a.a.O., Rz. 21, Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600a Rz. 28; Müko BGB Wellenhofer 6. Aufl., § 1600a Rz. 10).

3. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft hat auch nicht deshalb zu unterbleiben, weil ein Anfechtungsantrag von vornherein wegen Versäumung der Anfechtungsfrist keinen Erfolg hätte. An sich - darauf ist ausdrücklich hinzuweisen - darf dies bei der Frage, ob Ergänzungspflegschaft anzuordnen ist oder nicht, keine Rolle spielen. Insbesondere kann nicht mit Wirkung für das Anfechtungsverfahren festgestellt werden, dass die Anfechtungsfrist gewahrt oder versäumt ist. Es mag allenfalls denkbar sein, in Fällen, in denen diese Frist ohne jeden vernünftigen Zweifel nicht mehr gewahrt werde...

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