Leitsatz (amtlich)
Lassen die Parteien eines Ehescheidungsverfahrens, ohne dass ein Unterhaltsverfahren anhängig ist, einen Vergleich des Inhalts protokollieren, dass sie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichten, entstehen hierdurch die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO und die Differenzgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO aus dem Wert des Vergleichs, auch wenn die Vereinbarung keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (Abgrenzung zu BGH v. 26.9.2002 – III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713); die Prozessgebühr errechnet sich aus dem nicht um den Gegenstand des Vergleichs erhöhten Streitwert.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluss des AG – FamG – Westerburg vom 2.10.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners wird die Kostenfestsetzung des AG – FamG – Westerburg vom 8.9.2003 insoweit aufgehoben, als der zugrundeliegenden Kostenberechnung nicht entsprochen wurde.
Die Rechtspflegerin wird angewiesen, den Antrag insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das FamG hat in dem auf Scheidung der Ehe gerichteten Verfahren im Termin vom 24.6.2003 dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. In diesem Termin haben die Parteien, ohne dass ein Unterhaltsverfahren anhängig war, einen Vergleich des Inhalts protokollieren lassen, dass sie wechselseitig auf nachehelichen Ehegattenunterhalt, einschl. des Notbedarfs, verzichten und die Kosten insoweit gegeneinander aufheben. Anschließend hat das FamG die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Dem Begehren auf Festsetzung der aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung hat die Rechtspflegerin nur teilweise entsprochen, indem sie die vom Prozessbevollmächtigten in Ansatz gebrachte Vergleichsgebühr aus dem Streitwert des Unterhaltsverzichts außer Ansatz gelassen und die Prozessgebühr abweichend vom Antrag nicht aus dem Gesamtstreitwert (einschl. Vergleich), sondern lediglich aus dem Streitwert für Scheidung und Versorgungsausgleich berechnet hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Unterhaltsverzicht könne nach der Entscheidung des BGH (BGH v. 26.9.2002 – III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395) keine Vergleichsgebühr auslösen, weil er keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweise.
Die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten hat die Rechtspflegerin dem Amtsrichter zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 2.10.2003 „die Erinnerung des Antragsgegners” unter Verweis auf die Nichtabhilfeverfügung der Rechtspflegerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners eingelegte Beschwerde, mit der er geltend macht, der Unterhaltsverzicht erfülle die Voraussetzungen des § 779 BGB, wodurch eine Vergleichsgebühr entstanden sei. Der Bezirksrevisor hält dem entgegen, nach der Entscheidung des BGH entstehe die Vergleichsgebühr nur, wenn die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich protokollieren ließen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig und hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hat über die zuerkannte Vergütung hinaus Anspruch auf Festsetzung der beantragten Vergleichsgebühr und einer halben Differenzgebühr gem. § 32 Abs. 2 BRAGO.
Der Beschwerdeführer ist durch den angegriffenen Beschluss beschwert. Soweit das FamG dem Wortlaut nach „die Erinnerung des Antragsgegners” zurückgewiesen hat, handelt es sich in der Sache um die Zurückweisung des Rechtsbehelfs des nach § 128 Abs. 3 BRAGO allein erinnerungsberechtigten Rechtsanwalts, der auch – zulässigerweise – Erinnerung gegen die seine Vergütung betreffende Festsetzung eingelegt hatte (Bl. 13 der Unterakte PKH) und dessen Rechtsbehelf Gegenstand der Vorlageverfügung der Rechtspflegerin (Bl. 15 UA PKH) war.
Die Rechtspflegerin hat zu Unrecht die Zuerkennung der beantragten Vergleichsgebühr aus dem Streitwert des Unterhaltsverzichts versagt. Gemäß § 122 Abs. 3 S. 1 BRAGO erstreckt sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache auch auf den Abschluss eines Vergleichs, der den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten und weitere im Einzelnen aufgeführte Folgesachen betrifft. Diese Bestimmung soll die Bereitschaft zur einverständlichen Regelung der aufgeführten Folgesachen fördern, ohne dass insoweit ein förmliches – mit weiteren Kosten für die Staatskasse verbundenes – Folgeverfahren eingeleitet werden muss.
Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss und auch vom Bezirksrevisor geäußerten Ansicht haben die Parteien im Termin vom 24.6.2003 einen zur Entstehung der Vergleichsgebühr tauglichen Vergleich i.S.d. § 23 BRAGO geschlossen. Die Parteien haben hierin im Wege des gegenseitigen Nachgebens auf nachehelichen Unterhalt ver...