Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabe des Auftrags für den Hochwasserschutz
Verfahrensgang
Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 10.11.1999; Aktenzeichen VK-1/99) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 1999 aufgehoben.
2. Von der Aufhebung ausgenommen ist die im Tenor des angefochtenen Beschlusses unter 3. getroffene Entscheidung, wonach die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle nicht notwendig war.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts an die Vergabekammer zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat.
Tatbestand
I.
Im Juni 1999 schrieb die Vergabestelle öffentlich die Auftragsvergabe für den Bau einer Hochwasserschutzanlage in der Ortslage O. aus. Unter den insgesamt vier Angeboten, die daraufhin abgegeben wurden, befanden sich die der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1. und 2., von denen sich im Submissionstermin das der Beteiligten zu 1. als das preisgünstigste herausstellte, während das Angebot der Antragstellerin – ohne Berücksichtigung eines mit Nr. 8 gekennzeichneten Sondervorschlags – hinter dem der Beteiligten zu 2. im Ergebnis an dritter Stelle lag. Die Vergabestelle beabsichtigte, nach Ablauf der Zuschlagsfrist der Beteiligten zu 1. den Zuschlag zu erteilen.
Vor Ablauf der Frist hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gestellt mit dem Ziel, die Vergabestelle zu verpflichten, den zum günstigsten Angebotspreis unter den Mitbewerbern führenden Sondervorschlag Nr. 8 bei der Wertung zu berücksichtigen und ihr, der Antragstellerin, den Zuschlag zu erteilen.
Mit Beschluss vom 10. November 1999 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen, weil der für die Zuständigkeit der Vergabekammer gemäß § 100 Abs. 1 GWB vorgesehene Schwellenwert nicht erreicht sei. Sie hat sich dabei auf die Vorgabe der Vergabestelle gestützt, nach der der Gesamtauftragswert für das Bauvorhaben schätzungsweise ca. 8,03 Mio. DM betrage.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der Gesamtauftragswert sei auf ca. 10,1 Mio. DM netto zu schätzen, womit der Schwellenwert überschritten sei. Im Übrigen rügt sie mehrere Verstöße gegen Vergabevorschriften, insbesondere die fehlerhafte Nichtberücksichtigung ihres Sondervorschlags Nr. 8.
Sie beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 1999 aufzuheben,
die Vergabestelle zu verpflichten, den Sondervorschlag Nr. 8 der Beschwerdeführerin zu werten und ihr als Mindestbietende den Zuschlag zu erteilen,
hilfsweise:
die Vergabestelle zu verpflichten, die Ausschreibung hinsichtlich der Baumaßnahme aufzuheben,
weiter hilfsweise:
die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden,
äußerst hilfsweise:
festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch die Vergabestelle in ihren Rechten verletzt ist.
Die Vergabestelle beantragt,
die sofortige Beschwerde und den Feststellungsantrag zurückzuweisen.
Sie ist mit der Vergabekammer der Auffassung, dass der Schwellenwert für die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nicht erreicht sei.
Dem weiteren Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) hat der Vergabesenat mit Beschluss vom 16. Dezember 1999 stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Schwellenwert im Nachprüfungsverfahren die Bedeutung einer besonderen Prozessvoraussetzung habe und damit auch in der Beschwerdeinstanz nach dem ohnehin geltenden Untersuchungsgrundsatz (§§ 120 Abs. 2, 70 Abs. 1 GWB) von Amts wegen zu prüfen sei. In der Kostenschätzung der Vergabestelle hat er keine tragfähige Prüfungsgrundlage gesehen und deswegen am 22. Dezember 1999 weiter die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Entscheidung der Vergabekammer ist aufzuheben, weil der das Nachprüfungsverfahren eröffnende Schwellenwert vorliegend überschritten und der Nachprüfungsantrag daher nicht wegen Fehlens der Prozessvoraussetzung nach § 100 Abs. 1 GWB als unzulässig zu verwerfen ist.
Der Schwellenwert ist, wie bereits im Beschluss vom 16. Dezember 1999 ausgeführt, nach richtlinienkonformer Auslegung des § 100 Abs. 1 GWB mit einem geschätzten Auftragswert von 5 Mio. Sonderziehungsrechten anzusetzen (a.A. BayObLG, Beschluss vom 29. März 2000, BayObLGZ 2000 Nr. 19, das auf Grundlage einer vor Einführung des Vergaberechtsschutzes und des Schwellenwerts nach § 100 Abs. 1 GWB durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26. August 1998 erlassenen Vergabeverordnung vom 22. Februar 1994 den Schwellenwert gemäß § 1 a Nr....