Leitsatz (amtlich)

Der Auftraggeber kann sich, wenn er eine Gesamtbaumaßnahme in mehrere Ausschreibungen unterteilt, jedenfalls dann nicht mehr auf die ursprüngliche Schätzung des Auftragswerts berufen, wenn sich die Parameter für die Schätzung erheblich geändert haben.

 

Normenkette

VgV § 3 Abs. 1, 9

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Entscheidung vom 12.11.2012; Aktenzeichen Z3-3-3194-1-36-07/12)

 

Tenor

  • I.

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12.11.2012 wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners, der Antragsgegnerin und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

  • III.

    Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 228.538,77 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Das Staatliche Bauamt I. und die Stadtwerke I. GmbH (im folgenden: Vergabestelle) schrieben am 16.3.2012 national den Streckenbau BA 1, Ortsumgehung L.-K., öffentlich in drei Losen (Los 1: Straßenbauarbeiten, Los 2: Erdarbeiten für das Verlegen einer Gasleitung, Los 3: Verlegung einer Wasserleitung) aus. Nebenangebote waren zugelassen. Die Ausschreibung ist Teil der Baumaßnahme Ortsumgehung L. - K. mit einer gesamten Straßenstrecke von 4,461 km. Eine Kostenberechnung für die gesamte Stecke vom 3.6.2009 ergab einen geschätzten Auftragswert von netto 4,792 Mio €. Am 13.7.2010 ergab eine erneute Kostenschätzung einen Betrag von 4,795.Mio €. Die Vergabestelle schrieb im August 2010 zunächst ein Brückenbauwerk aus; an dieser Ausschreibung beteiligte sich auch die Firma B. der jetzigen Bietergemeinschaft, welche den Zuschlag mit ca. 660.000 € brutto erhielt.

Nach einem Bodengrundgutachten der K. Consult vom 21.4.2011 wurden sowohl im Bereich L. Bach als auch im Bereich K. Bach Torfmulden festgestellt, welche von der Trasse gequert werden und undrainierte Scherfestigkeiten von 10 kN/m2 aufweisen. Das Gutachten lag den Vergabeunterlagen bei, welche den Bietern übersandt wurden. Der Gutachter empfahl eine Rüttelstopfverdichtung bzw. im Bereich des K.r Bachs mit der wesentlich tieferen Torfmulde die Bodenverbesserung mittels vermörtelter Rüttelstopfsäulen als zwar kostenintensive, aber im Vergleich zu anderen Lösungen wirtschaftliche Lösung. In einem Ergänzungsgutachten vom 5.10.2011 wurde weiter festgestellt, dass sich die Torfmulde K.Bach auch westlich des K. Baches fortsetze, wie dies zu vermuten sei.

Für den Vertragsinhalt war vorgesehen:

"Untergrundverbesserung mittels Betonstopfsäulen. Im Bodengutachten vom 21.4.2011 ist die Untergrundverbesserung mittels "vermörtelter Rüttelstopfsäulen" vorgesehen. In Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt I. werden statt der "vermörtelten Rüttelstopfsäulen" Betonstopfsäulen vorgesehen. Die Betonstopfsäulen haben den Vorteil, dass die Grundwasserbelastung möglichst gering gehalten wird."

Im LV heißt es:

"Pos. 01.06.0005 Rüttelstopfverd. herstellen

Baugrundverbesserung durch Betonstopfsäulen herstellen.

Bei der Submission lagen fünf Angebote vor. Die Antragstellerin lag mit ihrem Hauptangebot + Nebenangebot für alle Lose mit 3.849.237,77 € netto = 4.580.592,95 € brutto an erster Stelle, die Beigeladene mit ihrem Hautangebot und drei Nebenangeboten an dritter Stelle. Für die Bodengrundverbesserung hatte die Antragstellerin die Firma B. als präqualifizierten Nachunternehmer vorgesehen. Im Zuge der Aufklärungsverhandlung zwischen der Antragstellerin und der Vergabestelle stellte sich heraus, dass die Antragstellerin bzw. ihr Subunternehmer B. kein Rüttelstopfverfahren ausführen wollte, sondern der Beton unter Überdruck eingepresst werde (Schreiben der Firma B. an die Antragstellerin vom 3.5.2012). Die Antragstellerin erläuterte, diese Vorgehensweise entspreche der DIN EN 12699. Bei einer Scherfestigkeit von ≪ 15 kN/m2 führe dies zu einem Ausbauchen der Säulen.

Mit Schreiben vom 10.5.2012 antwortete die Vergabestelle, dass zwar das Betonieren mit Überdruck eine bewährte Baumaßnahme sein könne, doch ersetze diese Maßnahme nicht die Vorgaben der DIN EN 12699. Die Vergabestelle bat um Vorlage von entsprechenden Referenzen der Firma B., an welcher Stelle durch die Firma B. Betonstopfsäulen bei einem vergleichbaren Grund mit weichen Schichten und cu ≪ 15 kN/m2 eingebaut wurden und durch welche Maßnahmen eine fachgerechte Ausführung nachgewiesen wurde. Zudem ließ die Vergabestelle durch ein Institut für Materialprüfung, IFM, die Nebenangebote prüfen. Der Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 22.5.2012 aus, dass eine Betonstopfsäule ein Verdrängungspfahl nach DIN EN 12699 ist und dass es für die angebotenen und für andere Pfähle in Deutschland bauaufsichtliche Zulassungen gibt. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass die Firma B. eine bauaufsichtliche Zulassung für ROB- und RSB-Pfähle hatte, deren Anwendungsbereich auf einen Baugrund beschränkt ist, dessen undrainierte Scherfestigkeit ≫ 15 kN/m2 beträgt. Da weder die Antragstellerin noch die Firma B. Nachweise oder Referenzen vorgelegt hatten, die bel...

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