Leitsatz (amtlich)

1. Falls der Vergabestelle gestattet sein sollte, schon vor Erreichen des 80 %-Kontingents einzelne Lose dem 20 %-Kontingent zuzuschlagen, muss sie konsequenterweise an ihrer nach außen dokumentierten Zuordnung festgehalten werden, um nachträgliche Manipulationen auszuschließen.

2. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB ist nicht berührt, wenn es sich um erst aus dem Leistungsverzeichnis ersichtliche Vergaberechtsfehler handelt.

3. Die fehlende oder verspätete Rüge eines Verstoßes gegen bieterschützende Vorschriften führt dazu, dass die präkludierte Beanstandung auch von Amts wegen nicht wieder aufgegriffen werden darf. Die Beanstandung kann auch mittelbar keine Berücksichtigung mehr finden.

4. Bei Vorliegen einer Abweichung der „technischen Spezifikation” fordert § 21 Nr. 2 S. 2 VOB/A die eindeutige Bezeichnung der Abweichung im Angebot. Der Bieter muss nicht nur darlegen, dass er etwas anders macht, sondern auch, was genau er anders macht. In den betreffenden Angebotspositionen, den davon erfassten Positionsgruppen, dem jeweiligen Abschnitt oder unter Umständen im ganzen Angebot ist eindeutig und klar verständlich zu sagen, dass eine Abweichung von den technischen Spezifikationen vorliegt und worin sie liegt.

5. Auch im Angebot einer zum Teil technisch abweichenden Leistung müssen die Preise dem Leistungsverzeichnis entspr. im Einzelnen nach Einheits- und Gesamtpreisen ausweisen werden.

6. Nebenangebote müssen sich inhaltlich in jeder Hinsicht am Hauptangebot messen lassen. entspr. der Leistungsbeschreibung (§ 9 Nr. 1 VOB/A) müssen sie so erschöpfend und mit allen Daten beschrieben sein, dass der Auftraggeber sich ein klares Bild über die angebotene Ausführung der Leistung machen kann.

7. Aufklärungsgespräche dürfen sich nur auf die Erläuterung des wirklichen Angebots beziehen. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A lässt Aufklärungsverhandlungen nur über ein feststehendes, vom Bieter zweifelsfrei formuliertes Angebot zu.

8. Die Darlegung der Gleichwertigkeit ist nicht auf den Beleg einer abstrakt-generellen Eignung der angebotenen technischen Lösung zur Durchführung des Bauvorhabens zu beschränken. Maßgeblich ist die Gesamtschau aller wertbildenden Kriterien, zu denen neben dem technischen Wert und dem Preis hier auch die Auseinandersetzung mit den Vorteilen der nach dem Leistungsverzeichnis geforderten Leistung, mithin der Gebrauchstauglichkeit und Bedienungsfreundlichkeit der Anlage, gehört hätte.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 11.04.2003; Aktenzeichen VK 4/03)

 

Tenor

Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 11.4.2003 bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.1. Im Dezember 2003 schrieb die Vergabestelle im Rahmen des Bauvorhabens „Sanierung der Fachklinik am Hochwald, Haus I, in Bruchweiler”, dessen geschätzter Gesamtauftragswert bei nahezu 15 Mio Euro liegt, als 3. Ausschreibungspaket neun Lose, darunter als Los 7 das Gewerk „Mess-, Steuer-, Regeltechnik”, im offenen Verfahren nach der VOB/A Europaweit aus. Als Zuschlags- und Bindefrist war der 30.4.2003 angegeben. Der Auftragswert dieses Loses wurde auf rund 218.000 Euro geschätzt. Die Arbeiten sollen in der Zeit zwischen Juni 2003 und Juli 2004 ausgeführt werden.

Mit der Vorbereitung der Auftragsvergabe hatte die Vergabestelle das Ingenieurbüro für Versorgungstechnik, Arbeitsschutz, Umweltschutz und Bauphysik P.-G. B. & Partner in Trier beauftragt, das die Leistungsbeschreibung vom 13.12.2002 erstellte. Nach der technischen Beschreibung des Gewerks war eine „Mess-, Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungsanlage zum automatisierten Funktionsablauf der Abwasser-, Wasser-, Wärmeerzeugungs-, Lüftungs-, Teilklima- und Kälteversorgungsanlagen (betriebstechnische Anlagen) mit DDC-Komponenten (Digitaltechnik) in modularer Bauweise” (LB S. 6) zu erstellen.

Sie soll im ersten Schaltschrank die Feldgeräte (Endgeräte) der Heizzentrale im Gebäude C (Kesselanlage, Heizkreise, Schwimmbeckenwassererwärmer) und der Einzelraumregelung, im zweiten Schaltschrank die Feldgeräte der Unterstationen Heizung im Gebäude A, im dritten Schaltschrank die Feldgeräte der Lüftungszentrale L 1 Bauteil C Sporthalle und im vierten Schaltschrank die Feldgeräte der Lüftungszentrale L2 Bauteil A Küche/Wäscherei erfassen. Die Endgeräte (Pumpen, Temperaturmesswertgeber, Druckbegrenzer, Mischventile u.a.), die zum Teil über eigene Handbedienebenen verfügen, sollen über im Schaltschrank befindliche DDC-Schaltschrankbusmodule, die jeweils einem bzw. einer Gruppe von Endgeräten zugeordnet sind, an eine bzw. (im ersten Schaltschrank) zwei in der Schaltschranktür eingebaute DDC-Zentralen (auch Automationsstation, Automationsgerät oder DDC-Unterstation genannt) angeschlossen werden, deren Programmierung den automatisierten Ablauf gewährleistet. Die DDC-Zentralen sollen über eine Handbedienebene zum bedienergeführten Klartext-Dialog (Bedienfeld mit Tastatur u...

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