Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung des Tierarztes für Behandlungsfehler

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung des Bestehens einer Pflicht zur Beratung bezüglich einer möglicherweise nicht erforderlichen tierärztlichen Behandlung ist auf die Sicht zum Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung abzustellen (ex ante-Betrachtung). Die Bewertung des Kausalverlaufs erfolgt hingegen aus aktueller Sicht unter Hinzuziehung nachträglicher Erkenntnisse (ex post-Betrachtung).

Auch der Tierarzt kann einer Beweislastumkehr wegen eines groben Behandlungsfehlers durch den Nachweis entgegentreten, der haftungsbegründende Kausalzusammenhang zum Primärschaden sei ausgeschlossen oder zumindest "äußerst unwahrscheinlich".

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 03.11.2015; Aktenzeichen 1 O 226/14)

 

Tenor

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 3.11.2015 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senats bis zum 11.3.2016 Stellung zu nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

3. Die Berufungserwiderungsfrist wird bis zum 1.4.2016 erstreckt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit einer tierärztlichen Behandlung ihres zwischenzeitlich verstorbenen Pferdes.

Die Klägerin war Eigentümerin der im Jahr 1993 geborenen Stute "P.". Sie wurde vom 28.5. bis 6.6.2013 durch die Beklagte zu 1) behandelt, wobei die Behandlungsmaßnahmen überwiegend durch den Beklagten zu 2) vorgenommen wurden. Die Behandlung wurde am 28.5.2013 wegen multiplen Biss- und Trittverletzungen sowie der Hauterkrankung Mauke an allen vier Gliedmaßen aufgenommen. Am 31.5.2013 war ein weiterer Untersuchungstermin vereinbart, wobei der Beklagte zu 2) die Stute auf der Weide suchen und anschließend behandeln sollte. Da die Stute auf der mehrere Hektar großen Weide nicht auffindbar war, unterblieb an diesem Tage eine Behandlung. Am 1.6.2013 untersuchte der Beklagte zu 2) das Pferd auf der Weide, da bei diesem am linken Hinterbein eine Wunde aufgetreten war. Er führte die Untersuchung durch, ohne hierbei einen Handschuh zu tragen. Anschließend verabreichte er dem Pferd eine Behandlung mit Antibiotika und Entzündungshemmern. Zudem veranlasste er das Umstellen des Pferdes in den Stall. Dort wurde das Pferd in der Folgezeit weiter behandelt. Am 6.6.2013 wies ein ebenfalls für die Beklagte zu 1) tätiger Tierarzt das Pferd in eine Tierklinik ein. Dort erfolgte am 7.6.2013 ein operativer Eingriff. Während des Eingriffs teilte der behandelnde Tierarzt mit, eine Euthanasie sei unvermeidlich. Diese erfolgte am 10.6.2013. Die Tierklinik berechnete für die Behandlung vom 6.6.2013 bis 10.6.2013 Behandlungskosten in Höhe von 2.935,39 EUR.

Die Klägerin führt zur Begründung ihres auf Ersatz der Behandlungskosten der Tierklinik, weiterer Fahrtkosten in Höhe von 115,80 EUR sowie einer Unkostenpauschale von 25,00 EUR zuzüglich Wertersatzes hinsichtlich des Pferdes, der in Abhängigkeit zum Ergebnis eines Sachverständigengutachtens gestellt werde, aber mindestens 25.000,00 EUR betrage, gerichteten Begehrens an, die Behandlung durch den Beklagten zu 2) sei fehlerhaft erfolgt. Dieser habe direkt am 1.6.2013 die Einweisung in die Tierklinik veranlassen müssen. Zudem sei die Untersuchung an diesem Tage ohne die Verwendung von Handschuhen als fehlerhaft anzusehen. Schließlich habe der Beklagte zu 2) es unterlassen, bereits am 1.6.2013 auf die fehlende Erfolgsaussicht jedweder Behandlung hinzuweisen. In diesem Falle wären die Behandlungskosten der Tierklinik nicht angefallen. Das Pferd sei zum Behandlungszeitpunkt mindestens 25.000,00 EUR wert gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 3.11.2015 (Bl. 171 ff. GA) verwiesen.

Das sachverständig beratene LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Verzicht auf die Benutzung von Handschuhen bei der Untersuchung der Fessel am 1.6.2013 sei nicht als Behandlungsfehler zu werten, da eine Kontamination mit Keimen hierdurch nicht zu befürchten gewesen sei. Die Nichtveranlassung der Einweisung in die Tierklinik sei zwar als grober Behandlungsfehler anzusehen, im Ergebnis aber für die Euthanasie des Pferdes nicht ursächlich geworden, da eine Behandlung nach Auswertung der während des operativen Eingriffs offenbar gewordenen Befundsituation ohnehin von vornherein aussichtslos gewesen sei. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Aussichtslosigkeit der Behandlung sei nicht erforderlich gewesen, da sich diese Einordnung erst aufgrund der Befunde ergeben habe, die während der Operation offenbar geworden seien. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 175 ff. GA) Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und führt zur Begründung aus, das LG hab...

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