Leitsatz (amtlich)
Bei der Frage, welcher Elternteil besser geeignet ist, über die Durchführung von Impfungen des gemeinsamen Kindes zu entscheiden, kann maßgeblich darauf abzustellen sein, dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO) orientiert (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017, XII ZB 157/16 und OLG Jena, Beschluss vom 7. März 2016, 4 UF 686/15).
Normenkette
BGB § 1628 S. 1, § 1697a
Verfahrensgang
AG Saarburg (Beschluss vom 22.12.2017; Aktenzeichen 3b F 274/17) |
Tenor
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Saarburg vom 22. Dezember 2017 gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Antragsteller und Antragsgegnerin sind seit dem 17. September 2014 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist die am ... Februar 2011 geborene gemeinsame Tochter ...[A] hervorgegangen. Diese lebt im Haushalt der Kindesmutter.
Laut des dem Familiengericht vorgelegten Impfpass erhielt das Kind am 2. März 2012, am 12. Juli 2012 und am 30. April 2013 eine Grundimmunisierung gegen Diphtherie, Tetanus und Poliomyelitis. Weitere Impfungen wurden bei ...[A] nicht durchgeführt.
Der Antragsteller ist zwischenzeitlich wiederverheiratet und seit Dezember 2017 Vater eines weiteren Kindes. Zu dessen Schutz lehnt er derzeit Besuche ...[A]s in seinem Haushalt ab.
Antragsteller und Antragsgegnerin üben die elterliche Sorge für ...[A] in vollem Umfang gemeinsam aus. Der Antragsteller möchte ...[A] den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO) entsprechend impfen lassen. Die Antragsgegnerin lehnt dies ab; sie möchte bei ihrer Tochter keinerlei weitere Impfungen durchführen lassen.
Auf den entsprechenden Antrag des Antragstellers vom 15. September 2017 hat das Familiengericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 dem Kindesvater die alleinige Entscheidung über die Impfung des Kindes gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis, Keuchhusten, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken und Meningokokken übertragen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der hier zur Entscheidung stehenden Beschwerde.
Sie ist im Wesentlichen der Ansicht,
die Empfehlungen der STIKO beruhten nicht auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen; sie fußten nicht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Vielmehr könne von einem eindeutigen Überwiegen der Vorteile von Schutzimpfungen gegenüber der Alternative des Unterlassens jeglicher Impfungen keine Rede sein. Nach heutiger Erkenntnislage lasse sich nicht beurteilen, ob eine strikte Befolgung der Impfempfehlungen, eine kritische Betrachtung hinsichtlich jeder einzelnen Impfung oder möglicherweise ein Unterlassen jeglicher Impfungen für die Gesundheit ...[A]s die bessere Entscheidung wäre.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss vom 22.12.2017 abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis für die Durchführung von Impfungen bei der Tochter ...[A] abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde abzuweisen.
Er ist der Ansicht,
bei den Impfempfehlungen der STIKO handele es sich um medizinischen Standard. ...[A] müsse entsprechend geimpft werden.
Ergänzend wird auf die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts vom 22. Dezember 2017, Bl. 86 bis 91 d.A., sowie auf den gesamten Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten im Übrigen Bezug genommen.
II. Die zulässige - insbesondere statthafte (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG) eingelegte - Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat ergänzend Bezug nimmt, die Entscheidungsbefugnis bezüglich einer den Empfehlungen der STIKO entsprechenden Impfung ...[A]s dem Kindesvater übertragen.
Gemäß § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils bei gemeinsamer elterlicher Sorge einem Elternteil die Entscheidung bezüglich einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, übertragen, wenn sich die Eltern insoweit nicht einigen können. Das Familiengericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen (vgl. BGH, NJW 2017, 2826, 2826, Rdnr. 14). Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen (vgl. BGH, a.a.O.).
Die Entscheidung des Familiengerichts richtet sich insoweit gemäß § 1697a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist demjenigen El...