Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung des Krankenhauses für MRSA - Infektion unklarer Ursache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für eine Infektion des Patienten mit multiresistenten Keimen haftet die Behandlungsseite nur, wenn das Schadensereignis aus einem von ihr beherrschbaren Bereich herrührt. Das muss der Patient darlegen und beweisen. Nur wenn das gelingt, muss die Behandlungsseite sich umfassend exkulpieren.

2. Ein grobes, zu Beweiserleichterungen führendes Versäumnis liegt nicht darin, dass bei der stationären Aufnahme ein MRSA-Screening nicht vorgenommen wurde. Die dahin zielende Empfehlung des Robert Koch Instituts war 2005 nur dann einschlägig, wenn im zurückliegenden Jahr ein mehr als dreitägiger Krankenhausaufenthalt stattgefunden hatte. Dass dies der Fall war, hat der Patient darzulegen.

3. Von einem groben Fehler kann im Hygienebereich erst dann ausgegangen werden, wenn einer offen zutage getretenen Gefahrensituation nicht begegnet wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 278, 280-281, 611, 823; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 270/09)

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

I. Der Kläger unterzog sich am 19.5.2005 im Krankenhaus der Beklagten einer Cholecystektomie. Postoperativ sonderte er reichlich Sekret ab. Wegen eines paralytischen Ileus kam es am 28.5.2005 zu einer Relaparotomie. Da die Beschwerden anhielten, musste der Bauchraum am 2.6.2005 erneut eröffnet werden. Man legte nunmehr ein Ileostoma an. Gleichzeitig wurde ein Abstrich gemacht, der am 5.6.2005 zum Befund eines infektiösen Befalls mit dem multiresistenten Keim Staphylococcus aureus (MRSA) führte. Weitere Eingriffe folgten. Am 12.8.2005 wurde der Kläger mit einem noch großen, durch ein Netz versorgten Bauchdeckendefekt aus der stationären Behandlung entlassen. Im Verlauf des Jahres 2006 kam es dann zu mehreren Revisionseingriffen. Dabei wurde u.a. das Ileostoma zurückverlegt.

Nach der Cholecystektomie war der Kläger wegen erhöhter Entzündungsparameter vom 23.5.2005 an antibiotisch versorgt worden. Ab dem 6.6.2005 wurden MRSA-bezogene Antibiotika verabreicht. Das hielt bis zum 14.6.2005 an.

Abgesehen von einer kurzen postoperativen Überwachungsphase war der Kläger zumindest bis zum 28.5.2005 auf der allgemeinen Pflegestation untergebracht. Spätestens am 2.6.2006 wurde er auf die Intensivstation verlegt und dort nach dem MRSA-Befund am 6.6.2005 in ein besonderes, nur durch eine Schleuse zugängliches Zimmer überführt. Seiner Darstellung nach waren die hygienischen Verhältnisse während des gesamten stationären Aufenthalts mangelhaft. So seien die Zimmer unzulänglich gereinigt worden und sowohl vom Krankenhauspersonal als auch von Besuchern in inadäquater Bekleidung betreten worden. Außerdem habe man die Handdesinfektion nachlässig gehandhabt. In der Schleuse vor dem ihm am 6.6.2005 zugewiesenen Zimmer habe man abgelegte Straßenbekleidung und überzuziehende Klinikkittel nebeneinander gelagert und Urinflaschen sowie Bettpfannen anderer Patienten gereinigt. Die schlechte Krankenhaushygiene sei ursächlich dafür gewesen, dass er von MRSA befallen worden sei. Seine Infektion sei exogen generiert worden.

Das habe zu langjährigen, schwerstbehindernden Beeinträchtigungen in Form von inneren Blutungen und einer anhaltend offenen Bauchdecke geführt. Es sei nicht gelungen, die MRSA-Besiedlung zu unterbinden. Im Hinblick darauf hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu einer Schmerzensgeldleistung von 30.000 EUR und zum Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.098,45 EUR zu verurteilen.

Das LG hat über die hygienische Situation im Krankenhaus der Beklagten und die antibiotische Behandlung des Klägers sowie deren Auswirkungen Beweis erhoben. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Aus seiner Sicht sind der Beklagten in der Zeit vor dem 6.6.2005, aus der die MRSA-Infektion des Klägers herrühre, keine groben Fehler in der Krankenhaushygiene anzulasten. Damit komme deren Inanspruchnahme insoweit nicht in Betracht, weil offen sei, ob die Infektion aus einem von ihr beherrschbaren Bereich hervorgegangen sei. Etwaige Hygienefehler, die die Beklagte danach gemacht habe, seien unstreitig nicht mehr schadensursächlich geworden. Ein grober Verschuldensvorwurf lasse sich auch nicht damit begründen, dass die Antibiose nicht sogleich mit dem Eingang des MRSA-Befundes am 5.6.2005, sondern erst tags darauf zielgerichtet umgestellt worden sei. Denn es sei unsicher, ob damals bereits das für die therapeutische Entscheidung wichtige Resistogramm vorgelegen habe, und die Lage des Klägers sei keineswegs dramatisch gewesen. Ob sich die Verzögerung in i...

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