Leitsatz (amtlich)

Die nachehezeitliche Entscheidung eines Beamten, sich unter Kürzung seiner Versorgungsbezüge in den vorzeitigen Ruhestand versetzen zu lassen, hat keinen unmittelbaren Bezug mehr zur Ehezeit und hat daher bei der Bewertung im Versorgungsausgleich außer Betracht zu bleiben (so auch: OLG Koblenz [13. ZivS.] Beschluss vom 30.03.2016 - 13 UF 755/15 - n.v.; entgegen OLG Koblenz [11. ZivS.] FamRZ 2017, 99 und OLG Koblenz [9. ZivS.] Beschluss vom 30.01.2018 - 9 UF 53/17 - juris sowie Beschluss vom 13.06.2018 - 9 UF 164/18 - juris).

 

Normenkette

VersAusglG § 5 Abs. 2 S. 2, §§ 40, 44 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Simmern

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Landesamts für Finanzen gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Simmern vom 15.08.2018, Aktenzeichen 51 F 56/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin

4. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.520,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss auf den am 18.03.2017 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau die am 27.08.1982 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei wurde für den Ausgleich der Versorgung der Ehefrau bei der Beschwerdeführerin deren Auskunft vom 22.09.2017 zugrunde gelegt.

Mit ihrer am 31.08.2018 eingelegten und begründeten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Ehefrau auf ihren Antrag hin zum 31.07.2018 gemäß § 39 LBG in den Ruhestand versetzt wurde. Wie aus der aktuellen Ehezeitauskunft vom 30.08.2018 hervorgehe, habe sich der Ehezeitanteil ihrer Pensionsanwartschaft hierdurch von 1.742,30 EUR auf 1.616,85 EUR verringert. Dies sei nach § 5 Abs. 2 VersAusglG zu beachten, so dass nur ein Betrag von 808,43 EUR statt 871,15 EUR auszugleichen sei.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Die individuelle Entscheidung der Antragstellerin, eine vorgezogene Alterspension in Anspruch zu nehmen, sei wegen des Stichtagsprinzips im Versorgungsausgleich unbeachtlich.

II. Die nach §§ 58 ff, 117 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn die geltend gemachte Verringerung des Ausgleichsbetrages beruht darauf, dass die Antragstellerin nach dem Ehezeitende gemäß § 39 LBG die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand beantragt hat. Diesem Antrag wurde zum 31.07.2018 entsprochen.

Nach § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung eines Anrechts grundsätzlich das Ende der Ehezeit, hier also der 28.02.2017. Ausnahmsweise sind jedoch gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG rechtliche oder tatsächliche Veränderungen, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, zu berücksichtigen. Diese Regelung dient der Prozessökonomie, indem Umstände, die zu einer Abänderung des Versorgungsausgleichs nach §§ 225, 226 FamFG führen würden, bis zur letzten Tatsachenentscheidung bereits im Erstverfahren berücksichtigt werden.

Darin, dass der Antragstellerin am 31.07.2018, mithin nach Ende der Ehezeit, aber noch vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, auf ihren Antrag hin in den vorgezogenen Ruhestand versetzt wurde, liegt ein Umstand, der den Ehezeitanteil - rückwirkend betrachtet - ändert. Die Berechnung der Versorgungsbezüge erfolgt zeitratierlich, so dass sich im Falle der Verschiebung des Eintritts in den Ruhestand, einer Beurlaubung oder der Bewilligung von Altersteilzeit unter anderem der Ruhegehaltssatz, die ruhegehaltsfähige Dienstzeit insgesamt sowie das Verhältnis der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit in der Ehezeit zu der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit verändert. Der auf die Ehezeit bezogene Versorgungsbezug (= der Ehezeitanteil) wird dadurch erhöht oder verringert.

In Bezug auf den Ausgleich von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach (FamRZ 2016, 35 und FamRZ 2012, 577) entschieden, dass die mit dem vorzeitigen Renteneintritt verbundene Verminderung des Zugangsfaktors sich auf die Höhe der auszugleichenden Entgeltpunkte nicht auswirkt. Denn bei der Teilung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben sich die auszugleichenden Entgeltpunkte nach §§ 41 Abs. 1, 39 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VersAusglG i. V. m. § 109 Abs. 6 SGB VI aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze. Eine Berücksichtigung des (individuellen) Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ist dabei nicht vorgesehen. Da das während der Ehezeit erworbene Stammrecht in Form der erworbenen Entgeltpunkte hälftig geteilt werde, werde der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt. Ob der Ausgleichspflichtige dieselbe Rente wie der Ausgleichsberechtigte erhalte oder - im Falle des vorzeitigen Renteneintritts - einen geringeren Rentenbetrag für eine längere Dauer, sei von seiner eigenen Entscheidung und individuellen Umständen abhängig. Es handele sich mithin nicht um anrechtsbezogene, sondern personenbezogene Umstände. Im Versorgungsausgleich seien letz...

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