Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Kreisverkehr an der Einmündung in den Kreis mit den beiden Verkehrszeichen 205 (Vorfahrt gewähren) und 215 (Kreisverkehr) versehen, ist derjenige als vorfahrtsberechtigt anzusehen, der als Erster die Zeichen passiert hat und in den Kreisverkehr eingefahren ist; ein vollständiges Einfahren in den Kreisverkehr ist für die Begründung des Vorfahrtsrechts nicht erforderlich.
2. Der danach Vorfahrtsberechtigte ist auch nicht gehalten, nach dem Einfahren in den Kreisel nochmals eine Blickzuwendung nach links vorzunehmen (und bei Erkennen eines sich von dort mit überhöhter Geschwindigkeit nähernden Fahrzeugs zur Vermeidung einer Kollision eine "Notbremsung" vorzunehmen), sondern darf sich darauf verlassen, dass noch nicht in den Kreisverkehr eingefahrene Fahrzeuge sein bestehendes Vorfahrtsrecht beachten werden.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 363/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12.05.2022, Az. 10 O 363/21, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.10.2022.
Gründe
Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung in erkanntem Umfang stattgegeben.
Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verkehrsunfall allein von dem Beklagten zu 1. durch einen erheblichen Verstoß gegen § 8 Abs. 1a StVO ("Vorfahrt im Kreisverkehr") verursacht worden ist. Die von dem Pkw der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr trete hinter diesem erheblich schuldhaften Verhalten des Beklagten zu 1. vollständig zurück. Dieses Ergebnis und insbesondere die hierbei von dem Landgericht durchgeführte Beweiswürdigung ist von dem Senat nicht zu beanstanden.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung die von dem Landgericht festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte, Zweifel an der Richtig- und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dieser Maßstab gilt auch für die Beanstandungen der Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts. Auch insofern müssen mit der Berufung schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an den erhobenen Beweisen aufzeigen, sodass sich eine erneute Beweisaufnahme gebietet (OLG Koblenz in r+s 2011, 522). Solche Zweifel setzen voraus, dass aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der nochmaligen Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden (BGH VI ZR 230/03, Urteil vom 08.06.2004; BGH VI 261/02, Urteil vom 15.07.2003). Vorliegend sind keinerlei Fehler des Landgerichts bei der erfolgten Würdigung der Beweise erkennbar, sodass hier nicht davon ausgegangen werden kann, dass die erstinstanzlichen Feststellungen bei einer Wiederholung der Beweisaufnahme keinen Bestand haben werden. Die von dem Einzelrichter gehaltene Beweiswürdigung ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze und ist insgesamt auch nach der eigenen Würdigung des Senats in der Sache vollumfänglich zutreffend.
Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vom 03.03.2022 angegeben, sie sei zu einem Zeitpunkt in den Kreisverkehr eingefahren, als sich dort kein anderes Fahrzeug befunden habe. Zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. habe sie auch bereits fast die Einmündung zur Bahnhofstraße erreicht gehabt. Sie habe erst unmittelbar vor der Kollision links neben sich das über die Mitte des Kreisverkehrs hinweg auf sie zufahrende Beklagtenfahrzeug wahrgenommen. Wenn der Beklagte zu 1. nicht gerade über die Mitte des Kreisverkehrs hinweg abgekürzt hätte, wäre sie längst weg gewesen und es wäre nicht zur Kollision gekommen. Die Aussage der Klägerin ist in ihrem Kerngehalt bestätigt worden durch den in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2022 vernommenen Zeugen K.. Der Zeuge K. hat ausgesagt, als er ungefähr eine Fahrzeuglänge vor dem Einfahren in den Kreisverkehr gewesen sei, habe er rechts ein Fahrzeug wahrgenommen, das zwar nicht oberhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, aber für die Verhältnisse deutlich zu schnell gefahren sei. Auf der gegenüber liegenden Seite des Kreisverkehrs habe er ein Fahrzeug sehr langsam ankommen sehen. Das Fahrzeug sei langsam in den Kreisel hineingefahren. Im Kreisel sei es dann zur Kollision gekomm...