Leitsatz (amtlich)
Zu den Fragen,
a. unter welchen Voraussetzungen der spätere Prozessbevollmächtigte für seinen mit dem Widerspruch gegen einen weitergreifenden Mahnbescheid verbundenen Klageabweisungsantrag die Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO verdient,
b. unter welchen Voraussetzungen der Prozessgegner diese Gebühr erstatten muss.
Normenkette
ZPO §§ 91, 694; BRAGO §§ 43, 31 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 9 O 285/93) |
Tenor
Die Sache wird an das LG Koblenz zurückgegeben zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.1.2001.
Gründe
Die Klägerin hatte 1993 beim AG Neuss einen Mahnbescheid über 115.017,34 DM nebst Zinsen erwirkt. Schon im Mahnbescheidantrag wurde für den Fall des Widerspruchs Durchführung des streitigen Verfahrens bei dem LG Koblenz beantragt (Bl. 2 GA). Der Beklagte legte Widerspruch ein, wobei seine beim LG Koblenz zugelassenen Bevollmächtigten zugleich Klageabweisung beantragten (Blatt 7 GA).
Die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zahlten sodann einen weiteren Gerichtskostenvorschusses nach dem genannten Streitwert. Daraufhin wurde die Sache vom AG Neuss an das LG Koblenz abgegeben.
Hier beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sodann nur noch eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 45.266,26 DM nebst Zinsen. Wegen eines daneben formulierten Feststellungsantrages (Wert: 10.000 DM) verblieb ein Gesamtstreitwert von 55.266,26 DM.
Da die Klage lediglich einen geringen Teilerfolg hatte, sind der Klägerin 10/11 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden, den Rest hat der Beklagte zu tragen.
Wegen des Klageabweisungsantrages im Widerspruch gegen den Mahnbescheid hat der Beklagte unter anderem die Festsetzung einer Prozessgebühr aus dem Streitwert von 115.017,34 DM beantragt.
Im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin die Auffassung vertreten, ein Klageabweisungsantrag sei nicht notwendig i.S.v. § 91 ZPO gewesen. Allerdings liege in der Antragstellung eine bedingte Auftragserteilung, was die Anwendung des § 32 Abs. 1 BRAGO rechtfertige. Daher sei eine 5/10 Gebühr aus dem Streitwert von 115.017,34 DM zu erstatten (= 1.019,50 DM). Die volle Prozessgebühr aus dem Streitwert von 55.266,26 DM betrage 1.369 DM. Unter Beachtung der in § 13 Abs. 3 BRAGO bestimmten Höchstgrenze sei daher insgesamt eine Prozessgebühr von 2039 DM zu erstatten (1.019,50 DM × 2).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem ausdrücklich als „Erinnerung” bezeichneten Rechtsbehelf. Durch den Widerspruch gegen den Mahnbescheid sei lediglich eine 3/10 Gebühr nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO entstanden. Daneben sei eine 10/10 Prozessgebühr aus dem Streitwert von 55.266,26 DM zu erstatten. Ein Klageabweisungsantrag sei im Mahnverfahren nicht erforderlich gewesen.
Der Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf obergerichtliche Entscheidungen (OLG Frankfurt JurBüro 1980,540; OLG Hamburg JurBüro 1994,608; OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 431).
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen, die Sache als sofortige Beschwerde angesehen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Das entsprach nicht dem Gesetz. Denn der Beschwerdewert von mehr als 100 DM (§ 567 Abs. 2 S. 2 ZPO) ist nicht erreicht. Die Rechtspflegerin hätte die Sache daher dem zuständigen Richter des LG zur abschließenden Entscheidung über die Erinnerung vorlegen müssen (§ 11 Abs. 2 S. 3 RPflG).
Dass der Beschwerdewert nicht erreicht ist, ergibt sich aus folgender Berechnung:
Die Klägerin billigt dem Beklagten für den Widerspruch gegen den Mahnbescheid eine 3/10 Gebühr aus einem Streitwert von 115.017,34 DM zu. Das sind (alte Gebührensätze!) 611,70 DM.
Daneben sei eine 10/10 Prozessgebühr aus einem Streitwert von 55.266,26 DM zu erstatten. Das sind 1.369 DM. Ergibt zusammen 1.980,70 DM. Hiervon hat die Klägerin 10/11 zu tragen, mithin 1.800,63 DM.
Zuerkannt hat die Rechtspflegerin stattdessen 10/11 von 2.039 DM. Das sind 1.835,63 DM. Die Differenz zwischen beiden Beträgen ist selbst unter Hinzurechnung der Umsatzsteuer weniger als 100,01 DM. Damit ist eine Beschwerde unzulässig und von der Klägerin auch nicht beabsichtigt, die den Rechtsbehelf ausdrücklich als Erinnerung bezeichnet hat (Bl. 631 GA). Die Sache war daher an das LG zurückzugeben, damit dort nach § 11 Abs. 2 S. 3 RpflG eine abschließende richterliche Entscheidung herbeigeführt wird.
Für das weitere Verfahren gibt der Senat – ohne Bindungswirkung – folgende Hinweise:
Zwar kann die Beschwerde sich scheinbar auf den Senatsbeschluss 14 W 302/85 vom 4.6.1985 (OLG Koblenz v. 4.6.1985 – 14 W 302/85, JurBüro 1986, 569 mit abl. Anm. Mümmler) stützen, wonach die 3/10 Gebühr des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO die gesamte Tätigkeit des mit der Einlegung des Widerspruchs beauftragten Rechtsanwalts abgilt.
Der vorliegende Fall weicht jedoch im Tatsächlichen vom seinerzeit entschiedenen Sachverhalt ab, weshalb der Kostenfestsetzungsbeschluss nach Auffas...