Entscheidungsstichwort (Thema)
"Unabwendbares Ereignis" im Straßenverkehr
Normenkette
StVG §§ 7, 17 a.F.; StVO § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 16.09.2004; Aktenzeichen 1 O 377/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.9.2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.057,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 891,26 EUR seit dem 11.12.2001 und aus weiteren 157,47 EUR seit dem 19.3.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben der Kläger vier Fünftel, die Beklagten als Gesamtschuldner ein Fünftel zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 6.11.2001 gegen 11.40 Uhr auf der B.-Straße in Sch. ereignet hat. Die Ehefrau des Klägers fuhr mit dessen Pkw Ford Sierra auf dem Weg zum Einkaufen nach der Arbeit in einer Rechtskurve auf der insgesamt 6,10 m breiten Straße, als der vom Erstbeklagten geführte Tanklastzug mit Mercedes Benz Actros Zugmaschine und Sattelauflieger, der bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versichert ist, in der Kurvenlage entgegenkam. Der Pkw kollidierte nach einem Bremsmanöver seitlich mit dem Tanklastzug und wurde schwer beschädigt. Es entstand Totalschaden bei einem gutachterlich angenommenen Wiederbeschaffungswert von 4.100 DM brutto und einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen, für die vom Sachverständigen eine Nutzungsausfallentschädigung von 66 DM pro Tag veranschlagt wurde.
Der Kläger hat die alleinige Haftung der Beklagten angenommen mit der Behauptung, der Lkw habe ohne verkehrsbedingten Grund die Gegenfahrbahn zur Hälfte in Anspruch genommen und sei innerorts wesentlich zu schnell gefahren, nämlich etwa 60 bis 70 km/h. Der Kläger hat in erster Instanz neben dem Wiederbeschaffungswert von 4.100 DM und Sachverständigenkosten von 622,68 DM pauschale Unkosten von 50 DM, Abschleppkosten von 500,83 DM, Kosten für Abmeldung des Unfallfahrzeugs und Anmeldung des Ersatzfahrzeugs von 276,77 DM, Verschrottungskosten von 230 DM und Mietwagenkosten von 4.708,53 DM geltend gemacht, zusammen 10.488,81 DM (5.362,84 EUR).
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt. Sie haben behauptet, der Erstbeklagte sei weder auf die Gegenfahrbahn gekommen noch zu schnell gefahren. Vielmehr sei die Ehefrau des Klägers einem parkenden Fahrzeug ausgewichen, habe dann beim Anblick des Tanklastzuges eine unnötige und überzogene Abwehrbremsung vorgenommen und sei auf der Fahrspur des Lkws mit diesem in einer Streifkollision zusammengeprallt. Sie habe den für den Erstbeklagten unabwendbaren Unfall alleine verursacht und verschuldet. Im Übrigen seien die Mietwagenkosten übersetzt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Unfall für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Das Vorbringen zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Erstbeklagten sei aufgrund der Auswertung der Tachoscheibe widerlegt. Danach habe die Fahrgeschwindigkeit des Lastzuges 135 m vor der Unfallstelle noch 47 km betragen und sei danach bis zum Einfahren in die Kurve auf 41 km/h reduziert worden. Nicht bewiesen sei ferner, dass der Lkw auf die Gegenfahrbahn gelangt sei. Die Zeuginnen B., Ehefrau des Klägers, und T., Führerin des nachfolgenden Pkws, hätten zwar den Eindruck gehabt, dass der Lkw auf ihre Fahrspur geraten sei, weil er die Kurve geschnitten habe. Nach der Auswertung der Sachbeweise durch Sachverständige, deren Gutachten in der vorliegenden Sache, im Parallelprozess mit umgekehrtem Rubrum und im Strafverfahren eingeholt worden seien, sei unbeschadet der Möglichkeit, dass der Lastzug unmittelbar vor der Kollision in der Kurve ausweislich einer Reifenspur etwa 30 cm oder mehr über die Fahrbahnmitte geraten sei, davon auszugehen, dass die Zeugin B. eine überzogene Abwehrbremsung durchgeführt habe und danach in der Kurve geradeaus und über die Fahrbahnmittenmarkierung fahrend mit dem Lkw kollidiert sei. Das ergebe sich aus der Ausrichtung der Bremsspur. In dieser Lage sei die Kollision für den Erstbeklagten unabwendbar gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der sein Klageziel weiterverfolgt und die Beweiswürdigung des LG beanstandet. Nach den Aussagen der vernommenen Zeuginnen habe der Tanklastzug die Kurve geschnitten; das habe das LG festgestellt, aber nicht zutreffend bewertet. Daraus ergebe sich ein nicht verkehrsbedingt veranlasster Verstoß des Erstbeklagten gegen das Rechtsfahrgebot, der die Annahme der Unabwendbarkeit ausschließe. Nachträglich aufgestellte Behauptungen des Erstbeklagten zu parkenden Fahrzeugen auf der einen oder anderen Fahrspur seien widerlegt. Zudem sei der Lkw zu schnell gefahren, weil...