Leitsatz (amtlich)
1. Zur Amtspflicht bei der Anmeldung von Schadensfällen im wildschadens-rechtlichen Feststellungsverfahren.
2. Weitere Schadensfälle sind grundsätzlich innerhalb der insofern jeweils neu beginnenden Ausschlussfrist nachzumelden; anders kann es liegen, wenn bei objektiver Betrachtung im weiteren zeitlichen Verlauf lediglich eine Vertiefung eines bereits eingetretenen Schadens zu erwarten ist (hier: Schadverhalten von Schwarzwild in einem bestimmen Maisschlag; Anschluss an BGH NJW-RR 2010, 1398).
Normenkette
GG Art. 34; BGB § 839 Abs. 1; BJagdG §§ 29, 34 S. 1; LJG RP §§ 39, 43 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 4 O 171/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 13.5.2015 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.532,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger, ein hauptberuflicher Landwirt, verfolgt gegenüber der beklagten Verbandsgemeinde Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Anmeldung und Ermittlung eines im Herbst 2010 entstandenen Wildschadens.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Der Maisschlag hatte eine Gesamtfläche von rund 11,5 Hektar; die wiederholt durch Wildschweine (Schwarzwild; Schalenwild) im fraglichen Zeitraum geschädigte Fläche erstreckte sich über 5,5 Hektar. Die beiden Jagdpächter hatten sich im Jagdpachtvertrag gegenüber der Jagdgenossenschaft zum Ersatz von Wildschäden verpflichtet.
Die Erstmeldung des Klägers an die Beklagte vom 7.9.2010 (Bl. 43 GA) hatte folgenden Inhalt:
((Abbildung))
Der Ortstermin am Schadensort mit dem amtlich bestellten Wildschadensschätzer fand zeitgleich mit der Maisernte am 22.10.2010 statt (Protokoll vom 25.10.2010; Bl. 30 f. der Beiakte AG Simmern/Hunsrück - 3 C 715/10 -); die Jagdpächter selbst oder von ihnen Bevollmächtigte hatten nicht teilgenommen.
Das LG hat mit Urteil vom 13.5.2015 (Bl. 83 ff. GA) der Klage in Höhe von 941,60 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers und die - unselbständige - Anschlussberufung der Beklagten.
Der Kläger rügt in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht unzutreffende Feststellungen im angefochtenen Urteil. Das LG habe zu Unrecht Schadensersatzansprüche (auch) aufgrund der (nicht anders als die vorangegangenen Meldungen) jeweils form- und fristgerechten, von der Beklagten indessen fehlerhaft behandelten Schadens(nach)meldungen vom 30.9. und 21.10.2010 verneint. Hinsichtlich der erstgenannten Meldung entspreche die von einem Mitarbeiter der Beklagten vorgenommene "Korrektur" nicht dem tatsächlichen Geschehen; hinsichtlich des Ablaufs nach der zweitgenannten Meldung treffe die Beklagte, insbesondere auch im Blick auf die unterlassene Kontaktierung der Jagdpächter, die Fürsorge- und Haftungsverantwortung als "Herrin des Vorverfahrens". Zur Anschlussberufung verteidigt der Kläger die Schadensschätzung im angefochtenen Urteil; unter Berücksichtigung der sog. Durchschnittsbesteuerung bei Landwirten sei auch die ausgewiesene Umsatzsteuer i.H.v. 7 % ersatzfähig.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des LG Bad Kreuznach vom 13.5.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den bereits ausgeurteilten Betrag in Höhe von 941,60 EUR nebst Zinsen weitere 6.591,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2015 zu zahlen;
2. die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
2. das Urteil des LG Bad Kreuznach vom 13.5.2015 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte beanstandet das stetig wechselnde tatsächliche Vorbringen des Klägers; mit Recht habe das LG die Schadensmeldungen von 30.9. und vom 21.10.2010 bereits dem Grunde nach außer Acht gelassen. Unabhängig hiervon könne die kurzfristige Anberaumung des Ortstermins im Hinblick auf Maisreife und Witterungsverhältnisse auch nicht als pflichtwidrig erachtet werden; der "Zeitdruck" und das damit einhergehende Abschneiden des rechtlichen Gehörs für die Jagdpächter sei letztlich vom Kläger allein zu verantworten. Zudem lasse der Vortrag des Klägers - wie bereits im Vorprozess - die in Bezug auf die Meldung vom 21.10.2010 gebotene konkrete Abgrenzung zwischen Neu- und Altschäden vermissen. Hieran anschließend beanstandet die Beklagte mit der Anschlussberufung die nach ihrem Dafürhalten lediglich auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruhende und daher nicht zulässige Schadensschätzung im angefochtenen U...