Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des Kindergeldes bei volljähriger Halbwaise, die bei Stiefelternteil lebt. Staatliches Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Ist gegenüber einer volljährigen Halbwaise, die bei einem Stiefelternteil lebt, der das Kindergeld bezieht, der leibliche Elternteil allein barunterhaltspflichtig, ist das Kindergeld in entsprechender Anwendung des § 1612b Abs. 3 BGB insgesamt bedarfsdeckend anzurechnen.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1610 Abs. 1, § 1612b Abs. 1, 3
Verfahrensgang
AG Trier (Urteil vom 08.07.2004; Aktenzeichen 10 F 24/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Trier vom 8.7.2004 teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.
Das Urteil des OLG Koblenz vom 21.1.1998 - 9 UF 492/97 - wird dahin gehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab Februar 2004 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 182 Euro schuldet.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat einen Teilerfolg. Der Kläger schuldet der Beklagten ab Februar 2004 nur noch Kindesunterhalt i.H.v. 182 Euro monatlich. Dementsprechend war das Urteil des Senats vom 21.1.1998 - 9 UF 492/97 - abzuändern.
Die Abänderungsklage ist begründet, weil sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien so wesentlich geändert haben, dass eine Abänderung des Urteils vom 21.1.1998, wonach der Kläger einen monatlichen Kindesunterhalt von 835 DM (426,93 Euro) zu zahlen hat, geboten ist. Eine wesentliche Änderung ist bereits darin zu sehen, dass die Beklagte am 19.1.2004 volljährig geworden ist. Außerdem bezieht sie aufgrund des Todes ihrer Mutter nun eine Halbwaisenrente. Diese ist bedarfsdeckend anzurechnen. Schließlich ist das Kindergeld jetzt voll anzurechnen. Obwohl der Bedarf der Klägerin sich wegen Vollendung des 18. Lebensjahres erhöht hat, vermindert sich ihr Unterhaltsanspruch ggü. dem Kläger wegen der Anrechnungen wesentlich, sodass eine Abänderung des Titels auf Unterhalt gerechtfertigt ist.
Der Unterhaltsanspruch der Beklagten beruht auf §§ 1601 ff. BGB. Sie ist noch Schülerin und daher unterhaltsbedürftig (§ 1610 Abs. 1 BGB). Nachdem die Mutter der Beklagten verstorben ist, hat der Kläger allein für ihren Unterhalt aufzukommen (§§ 1601, 1606 Abs. 2 BGB). Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
Die Parteien streiten um den Bedarf der Beklagten. Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei als privilegiert volljähriges Kind wie eine betreuungsbedürftige Minderjährige zu behandeln. Deshalb entspreche ihr Bedarf dem doppelten Tabellensatz der 4. Alterstufe der Düsseldorfer Tabelle. So hat auch das FamG die Rechtslage gesehen und den Barunterhaltsbedarf, den es mit 556 Euro angenommen hat, um einen geschätzten Betreuungsbedarf erhöht. Dabei hat das FamG übersehen, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit Erziehungs- und Betreuungsleistungen nicht mehr geschuldet werden (BGH v. 2.3.1994 - XII ZR 215/92, MDR 1994, 1013 = FamRZ 1994, 696 [698]; v. 9.1.2002 - XII ZR 34/00, BGHReport 2002, 498 = MDR 2002, 826 = FamRZ 2002, 815), es sei denn, es handelt sich um ein geistig oder körperlich behindertes Kind. Auch bei privilegiert volljährigen Kindern, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, findet eine Betreuung im Rechtssinne nicht mehr statt (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 361). Eine Ausweitung des neben dem Barunterhalt stehenden Betreuungsunterhalts auf privilegiert volljährige Kinder ist nicht zulässig (OLG Karlsruhe v. 24.2.1998 - 18 UF 114/97, FamRZ 1999, 45; BGH v. 9.1.2000 - XII ZR 34/00, BGHReport 2002, 498 = MDR 2002, 826 = FamRZ 2002, 815; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 151, m.w.N.; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1606 Rz. 11; Bamberger/Roth/Reiniken, BGB, § 1606 Rz. 6, 19; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2001, 371; OLG Rostock v. 19.9.2001 - 10 UF 304/00, FamRZ 2002, 696; Johannsen/Henrich/Graba, EheR, 4. Aufl., § 1606 Rz. 10). Die Gleichstellung des § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB für privilegiert volljährige Kinder bezieht sich nur auf die Leistungsfähigkeit (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB) und die Rangfolge, nicht aber auf § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 515c). Diese Differenzierung hat der Gesetzgeber auch beabsichtigt (BGH FamRZ 2002, 815 [817] unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Deshalb kann hier dahinstehen, ob die Beklagte, weil sie noch bei ihrem Stiefvater wohnt und zur Schule geht, privilegiert volljähriges Kind i.S.v. § 1603, Abs. 2 S. 2 BGB ist.
Der Bedarf des volljährigen Kindes richtet sich, wenn er nicht wie z.B. bei einem Kind mit eigenem Hausstand zu pauschalieren ist, grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile (BGH v. 9.1.2000 - XII ZR 34/00, BGHR...