Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite von Gesellschafterbürgschaften im Firmenverbund. Wirtschaftlich gesehen entspricht die Beteiligung an einer zwischengschalteten GmbH, die 100%ige Gesellschafterin der GmbH ist, der Beteiligung an der GmbH selbst

 

Leitsatz (redaktionell)

1.Gesellschafter, die sich für eine Schuld der Gesellschaft verbürgen, werden auch dann nicht privilegiert, wenn sie nur mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind, aber bei wertender Betrachtung ein gleiches wirtschaftliches Interesse wie bei unmittelbar beteiligten Gesellschaftern besteht.

2.Eine fast 9%ige Beteiligung stellt keine Bagatell- oder Splitterbeteiligung dar.

 

Normenkette

BGB §§ 138, § 765 ff., § 765

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 26.01.2006; Aktenzeichen 3 O 309/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.1.2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Koblenz abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.533.875,64 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 aus dem Betrag von 1.490.175,49 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 15/16 und die Klägerin zu 1/16.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Volksbank nimmt die Beklagte als Bürgin in Anspruch.

Mit Kreditvertrag vom 22.6.1995/14.8.1995 gewährte die Klägerin an die H.-GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin) u.a. für das Kontokorrentkonto Nr. 902.04 einen Betriebsmittelkredit bis zu 5.000.000 DM mit einem variablen Zinssatz von 7,75 %. Gesellschafterin der Hauptschuldnerin war zu diesem Zeitpunkt mit einem Anteil von 100 % die Y.-GmbH. An dieser Gesellschaft war die Beklagte mit 8,93 % beteiligt, ihr Vater mit 66,28 % und ihre Mutter mit 24,79 %.

Die Beklagte verbürgte sich in einer Urkunde vom 25.8.1995 bis zu einem Höchstbetrag von 5.000.000 DM für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin. Eine Zusatzvereinbarung zur Bürgschaft mit Datum vom selben Tage erweiterte den Sicherungszweck der Bürgschaft auch auf Nebenforderungen über den Höchstbetrag von 5.000.000 DM hinaus.

Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt sowohl bei der Hauptschuldnerin als auch bei der Y.-GmbH angestellt. Darüber hinaus besaß sie ein Hausgrundstück, welches mit einem Wohnrecht belastet war, sowie ein weiteres Grundstück, welches mit Grundschulden belastet war. Im April 2001 reduzierte die Klägerin für das Kontokorrentkonto Nr. 902.04 die Kreditlinie auf 3.000.000 DM und dementsprechend die Höhe der Bürgschaft. Am 27.3.2003 wurde sowohl ggü. der Hauptschuldnerin als auch ggü. der Y.-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin kündigte daraufhin am 3.4.2003 die Kredite ggü. der Hauptschuldnerin und nahm die Beklagte mit dem Zahlungsziel 15.5.2003 aus der Bürgschaft i.H.v. 1.490.175,26 EUR zzgl. seit dem 3.4.2003 angefallener Zinsen in Anspruch.

Nachdem die Beklagte die Zahlung verweigerte, hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, die Beklagte habe im Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung über ein ausreichendes eigenes Vermögen verfügt und sei deshalb in der Lage gewesen, etwaige Forderungen zu befriedigen. Außerdem habe man mit der Bürgschaftsverpflichtung Vermögensverschiebungen zwischen den Gesellschaftern vorbeugen wollen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit ... an sie 1.490.175,26 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 163.196,13 EUR für die Zeit vom 3.4.2003 bis zum 31.12.2004 und weitere Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basissatz seit dem 1.1.2005.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Bürgschaftsverpflichtung sei sittenwidrig; sie stelle eine krasse Überforderung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit dar. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt über kein ausreichendes Vermögen verfügt und die Bürgschaft nur auf Drängen ihrer Mutter in deren Büro unterschrieben. Darüber hinaus sei die Bürgschaft auch wegen der weiten Sicherungszweckerklärung nichtig.

Das LG Koblenz hat die Klage abgewiesen.

Der Bürgschaftsvertrag sei gem. § 138 Abs. 1 nichtig. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, dass die Beklagte durch die Bürgschaft finanziell krass überfordert werde. Im Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung sei sie nicht in der Lage gewesen, auch nur die laufende Zinsleistung zu tragen. Die Bürgschaft habe die Beklagte ohne unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus emotionaler Nähe zu ihren Eltern übernommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren den Widerruf ihrer Bürgschaft...

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