Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis der Eigentumsvermutungen zugunsten des früheren und jetzigen Eigenbesitzers
Leitsatz (amtlich)
1. Kollidiert die Eigentumsvermutung zugunsten des derzeitigen Eigenbesitzers mit der entspr. Vermutung zugunsten des ehemaligen Eigenbesitzers, hat die Vermutung aus § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB Vorrang ggü. der Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB, es sei denn der frühere Besitzer beweist die Voraussetzungen des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB.
2. War der derzeitige Eigenbesitzer ursprünglich Fremdbesitzer, muss er seinen Eigentumserwerb nachweisen. Leitet er sein Besitzrecht und den späteren Eigentumserwerb von einem Dritten ab, mit dem der ursprünglich Berechtigte einen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben will, reicht es aus, wenn der derzeitige Besitzer den Eigentumsvorbehalt widerlegt und nachweist, dass der Dritte ihm das Eigentum übertragen hat.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.11.2002; Aktenzeichen 3 O 21/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.11.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen einschl. der den Streithelfern entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und die Streithelfer vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaften eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirkt werden.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft des japanischen S. Konzern. Sie vertreibt deren medizin-technische Geräte, u.a. Computertomographen (künftig nur: CT), die vorwiegend in Krankenhäusern eingesetzt werden.
Sie beansprucht von der Beklagten Herausgabe eines von dieser genutzten CT der Marke S. nebst Zusatzgeräten und die Zahlung von Nutzungsentschädigung i.H.v. nunmehr 119.386,65 Euro nebst Zinsen (Bl. 387 GA). Hilfsweise hat die Klägerin in erster Instanz Schadensersatz verlangt.
Den CT hatte die Beklagte von der M.T.E.-GmbH (künftig nur: MTE) erhalten. Hierüber verhält sich der Miet-Kaufvertrag vom 18.12.2000 (Bl. 12–27 GA), der eine Mietlaufzeit von 36 Monaten vorsieht und eine Erwerbsoption enthält, die die Beklagte am 25.10.2001 ausgeübt hat (Bl. 8, 68, 389 GA).
Die MTE hatte den Vertrag bei der H.K.D. GmbH (künftig nur: HKD), Streithelferin der Beklagten, refinanziert und dieser sämtliche Ansprüche unter Sicherungsübereignung der Leasinggegenstände abgetreten (Schr. v. 30.10.2001, Bl. 78, 79 GA). Die MTE leaste sodann den CT zurück („sale und lease back”). Die HKD hat ihrerseits sämtliche Ansprüche aus dem Leasingverhältnis an die sie refinanzierende E.D.eG (künftig nur: EDG), ebenfalls Streithelferin der Beklagten, abgetreten und dieser die Geräte sicherungsübereignet (Bl. 66, 78, 79 GA).
Die MTE, der die Beklagte den Streit verkündet hat, ist insolvent. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist mangels Masse am 19.9.2002 zurückgewiesen worden (Anlage B B 5).
Das rechtliche Verhältnis zwischen der Klägerin und der MTE ist im Einzelnen umstritten. Jedenfalls hat die MTE keinerlei Zahlungen an die Klägerin geleistet.
Die Klägerin klagt vor dem LG Dortmund (Bl. 460 GA) gegen die MTE und andere auf Zahlung und ebenso vor dem LG Kiel gegen die EDG (Bl. 729, 730 GA).
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen:
Sie sei Eigentümerin der herausverlangten Geräte. Der CT sei bei der Muttergesellschaft der Klägerin in Japan hergestellt und an sie verkauft worden. Mit der Zahlung des Kaufpreises habe sie Eigentum erworben.
Zwischen ihr und der MTE habe es kein Vertragsverhältnis gegeben, und wenn dennoch eines bestehe, wäre dieses nach den AGB der Klägerin bei Geltung eines Eigentumsvorbehalts abzuwickeln. Anders veräußere sie überhaupt nicht. Es liege zwar die schriftliche Vertragsurkunde betreffend den Leasingvertrag zwischen der MTE und der Beklagten vor. Ein solcher Vertrag werde aber bestritten.
Vielmehr sei es so, dass in Wirklichkeit ein Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehe, nach dem die Geräte unter Eigentumsvorbehalt verkauft worden seien. Das ergebe sich u.a. aus einer Vielzahl von Unterlagen, die auf die Beklagte ausgestellt seien. Bei Gesprächen habe die Beklagte auch das Eigentum der Klägerin anerkannt und versprochen, entspr. Zahlungen an die MTE einzustellen und die Raten gem. einem Zahlungsplan auf ein Sperrkonto einzuzahlen.
Die Klägerin habe ihr Eigentum nicht verloren, denn der CT sei gegen ihren Willen aus dem Lager entnommen worden und sei ihr daher abhanden gekommen. Schon aus diesem Gesichtspunkt scheide ein gutgläubiger Erwerb aus. Davon abgesehen hätten auch die Streithelfer nicht gutgläubig Eigentum erwerben können, denn unter Berüc...