Leitsatz (amtlich)
1. Jede Einwirkung auf die Sache, die der Eigentümer zu dulden nicht bereit ist, stellt eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB dar, wozu neben Störungen in die Sachsubstanz auch die Verhinderung oder Störung des Gebrauchs durch den Eigentümer und ein unerwünschter Gebrauch durch Dritte zählen.
2. Ein Notwegerecht kommt nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht, wenn einem Grundstück die zu seiner ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Handelt es sich um ein Wohngrundstück, setzt eine ordnungsgemäße Grundstücksbenutzung in der Regel die Erreichbarkeit des Grundstücks mit einem Kraftfahrzeug voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mit einem Kraftfahrzeug an das Grundstück herangefahren und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise - auch mit sperrigen Gegenständen - erreicht werden kann (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 24.04.2015 - V ZR 138/14 - MDR 2015, 1126 f., zitiert nach juris; Urteil vom 18.10.2013 - V ZR 278/12 - NJW-RR 2014, 398 = MDR 2014, 149 Rn. 12, zitiert nach juris; Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 106/07 - NJW-RR 2009, 517 Rn. 24, zitiert nach juris).
3. Hat der Nachbar mit seinem PKW einen Privatweg des Eigentümers desselben über einen längeren Zeitraum benutzt, kann er hieraus keine manifestierten Rechte herleiten. Denn der Eigentümer, der selbst die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch einen Nachbarn jahrzehntelang gestattet hat, verliert hierdurch nicht das Recht, die Gestattung der Nutzung seines Grundstücks zu widerrufen und einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB geltend zu machen (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 16.05.2014 - V ZR 181/13 - NJW-RR 2014, 1043, 1044 Rn. 5, zitiert nach beck-online).
4. Nach § 21 Abs. 1 LNRG müssen Eigentümer und Nutzungsberechtigte im Rahmen des Hammerschlags- und Leiterschlagsrecht dulden, dass ihr Grundstück zwecks Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten wird und dass auf oder dem Grundstück Leitern oder Gerüste aufgestellt werden sowie die zu den Bauarbeiten erforderlichen Gegenstände über das Grundstück gebracht werden, wenn 1. das Vorhaben anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und 2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile und Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen. Nach § 21 Abs. 2 LNRG darf das Recht nur mit möglichster Schonung des Nachbargrundstücks ausgeübt werden.
5. Ein Nachbar kann sich hinsichtlich der Benutzung eines Privatweges nicht auf das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung stützen, wenn er den Privatweg weniger als 40 Jahre benutzt hat. Das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung gilt in der Regel für Rechtsgebiete, die nicht im Bundesrecht geregelt sind, insbesondere im Straßen- und Wegerecht, im Wasser- und Nachbarecht. Voraussetzung für die Anwendung des Rechtsinstituts der unvordenklichen Verjährung ist, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerungen an einen anderen Zustand seit Menschheitsgedenken bestanden (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 04.02.1955 - V ZR 112/52 - BGHZ 16, 234 ff., zitiert nach juris Rn. 55 m. w. N.; Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 106/07 - NJW 2009, 515, zitiert nach juris Rn. 12; OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2016 - 5 U 125/15 - NJW-RR 2016, 1112 ff., zitiert nach juris Rn. 38).
Normenkette
BGB §§ 598, 917 Abs. 1 S. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; LNRG Rh.-Pf. § 21 Abs. 1; LNRG Rh.-Pf. § 21 Abs. 2; StVO § 41; ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 19/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichter - vom 03.07.2018, Az. 1 O 19/18, dahingehend abgeändert, dass dem Beklagten untersagt wird, die Grundstücke Gemarkung O. Blatt 5394, Flur 15, Nr. 414/92, 191 und 205/1 zu betreten und zu benutzen. Dies gilt auch für die Zuhilfenahme dritter Personen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 25.000,00 EUR und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen angedroht.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin bewohnt das Grundstück Flur 15 Nummer 205/1 in L., der Beklagte das benachbarte Grundstück Flur 15 Nummer 204/3. Seit dem Erwerb des Grundstücks im Jahre 2003 betritt und befährt der Beklagte einen Weg, der über mehrere Privatgrundstücke führt, um sein Grundstück zu erreichen. Dieser Weg führt u. a. auch über die im Eigentum der Klägerin befindlichen Grundstücke Flur 15 Nummer 414/92, 191 und 205/1. Der Beklagte plant Umbaumaßnahmen an dem auf seinem Grundstück befindlichen Wohngebäude. Er begann zu...