Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarabrechnung für Ingenieurleistungen bei der Erweiterung einer Gruppenkläranlage

 

Leitsatz (amtlich)

1) Bei der Honorarrechung ist ein Ingenieurbüro dann nicht nach Treu und Glauben an die eigene Abrechnung gebunden, wenn diese zu einer Unterschreitung der Mindestsätze führt. Bei der Ermittlung, ob es zu einer Unterschreitung der Mindestsätze nach § 4 Abs. 2 HOAI gekommen ist, ist eine Gesamtkontrolle der getroffenen Vereinbarung einerseits mit dem richtig berechneten Mindestsatz andererseits erforderlich und eine umfassende Vergleichberechnung vorzunehmen (in Anknüpfung an BGH BauR 2005, 735).

2) Besteht eine Gruppenkläranlage aus Abwasser- und Schlammbehandlungsanlage mit anaerober Stabilisierung , so ist die Anlage aufgrund der funktionellen Verflechtung als ein Objekt anzusehen, wobei jedoch Objekte, die nach unterschiedlichen Teilen der HOAI abzurechnen sind, aufgrund verschiedener Honorartafeln, nicht zusammenzufassen sind. Bei der Abrechnung muss eine Objektzuordnung über eine Punktebewertung nach dem Schwierigkeitsgrad der Planungsanforderungen nach § 53 Abs. 2 HOAI I bzw. eine Zuordnung der Einzelobjekte "Abwasserbehandlungsanlage" und "Schlammbehandlungsanlage" nach der Objektliste von § 54 Abs. 1 HOAI mit einer abschließenden Zusammenfassung beider Einzelobjekte zu einem Objekt vorgenommen werden.

3) Eine Gruppenkläranlage mit Abwasserbehandlungs- und Schlammbehandlungsanlage ist als schwierige Abwasserbehandlungsanlagen in die Honorarzone V einzuordnen.

 

Normenkette

BGB § 242; HOAI § 4 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 20.04.2006; Aktenzeichen 9 O 137/01)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 20. April 2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter weitergehender Klageabweisung über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 140.241,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.11.2000 hinaus zur Zahlung eines weiteren Betrages von 230.431,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.11.2000 an die Klägerin verurteilt.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2) Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin erbrachte aufgrund zweier am 28.09.1992 (GA 21 ff.) und am 1.7/22.07.1993 (GA 35 ff.) mit der Beklagten geschlossener Verträge Ingenieurleistungen bei der Erweiterung der Gruppenkläranlage H./W./W. i. Durch einen weiteren Vertrag vom 15./19.09.1994 (GA 49 ff.) wurde der Klägerin auch die örtliche Bauüberwachung übertragen.

Nachdem die Klägerin unter dem 31.12.1993 zunächst eine Schlussrechnung für die Planungsleistungen (GA 60 ff.) vorgelegt hat, die bei einer Honorarsumme von 874.692,26 DM und geleisteten Zahlungen von 680.200,--DM mit einem Betrag von 194.491,26 DM endete, anschließend nach Auseinandersetzungen eine neue Schlussrechnung vom 28.02.1995 (GA 83 ff) vorlegte, die mit einer Honorarsumme von 783.549,05 DM und geleisteten Zahlungen in Höhe von wiederum 680.200,00 DM mit einem Betrag von 103.349,05 DM endete, die Beklagte im Zuge der Rechnungsprüfung etwa 6.000 DM Abzüge vornahm, die Restsumme aber gleichwohl nicht zur Auszahlung brachte, hat die Klägerin zunächst eine weitere Schlussrechnung, datiert auf den 31.12.1993 (GA 90), vorgelegt, die bei einer Honorarsumme von 925.728,--DM und geleisteten Akonto-Zahlungen mit einem Betrag von 51.035,74 DM endete.

Dieser Betrag wurde anschließend neben einem Honorarbetrag aus einer Abschlagsrechnung für die Ausführungsphase in Höhe von 720.000,00 DM im Mahnverfahren geltend gemacht.

Die Klägerin hat schließlich - gestützt auf ein Privatgutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. Wolfgang K. vom 25.09.2000 (GA 126 ff) - neue Schlussrechnungen sowohl für die Planungs- wie für die Ausführungsphase erstellt, die jetzt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind.

Die neue Schlussrechnung Nr. 958/0/18/43 für die Planungsphase vom 31.12.1993, die den Vermerk "vorgelegt: 27.09.2000" trägt (GA 170 ff), errechnet das Honorar mit brutto 1.089.431,03 DM und ergänzt die geleisteten Zahlungen um eine weitere vom 16.12.1994 in Höhe von 85.000,00 DM, so dass nach Abzug der Zahlungen in Höhe von 765.200,00 DM ein restliches Honorar von 324.231,03 DM verbleibt.

Die Schlussrechnung Nr. 958/0/19/44 vom 26.09.2000 für Ingenieurleistungen in der "Ausführungsphase" (GA 178 ff) errechnet das Honorar mit 2.014.737,60 DM, wobei abzüglich geleisteter Zahlungen in Höhe von 1.240,800,00 DM ein Restbetrag von 773.937,60 DM verbleibt. Die Summe aus beiden Beträgen in Höhe von 1.098.168,6...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge