Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Zur Verkehrssicherheit einer Treppenanlage (Metall-Stoßkanten, Metallschienen, Handläufe, Höhendifferenzen der Treppenstufen)
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 3 O 266/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. August 1998 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten, die der Streithelferin entstanden sind, hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Streithelfers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.700 DM abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 14.200 DM abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin.
Er beansprucht von der beklagten Stadt materiellen Schadensausgleich, die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung des Ersatzes künftigen materiellen und immateriellen Schadens.
Auf seine Streitverkündung ist die Bundesrepublik Deutschland in erster Instanz als Streithelferin der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.
Der Kläger hat vorgetragen:
Am 13. April 1994 habe er bei Regenwetter die Treppenanlage an der Straßenkreuzung Mühlenstraße/Wilhelmstraße in B. … benutzt.
Er sei die Treppe auf der rechten nicht mit einem Handlauf gesicherten Seite hinabgegangen und sei beim Erreichen des ersten Treppenabsatzes ausgerutscht und gestürzt.
Ursächlich sei der nicht verkehrssichere Zustand der Treppe gewesen. Die wechselnden Stufenhöhen überschritten die Toleranzmaße. An den Treppenstufen lägen – vormals beschichtete – Metallstoßkanten frei, die nicht rutschsicher seien. Da auf einer Treppenseite der Handlauf fehle, mangele es an dem erforderlichen Sicherungsmittel für die Benutzer der Treppe.
Bereits der erste Anschein spreche dafür, dass er, Kläger, wegen der Verkehrsunsicherheit der Treppe gestürzt sei.
Bei dem Sturz habe er eine instabile Hyperextensionsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers erlitten. Im Verlauf der Operation sei eine Nervenverletzung eingetreten, die eine beidseitige Fußheberschwäche nach sich gezogen habe. Bis zum 31. Juli 1994 sei er arbeitsunfähig gewesen und habe danach seine Berufstätigkeit nur in gemindertem Umfang ausüben können, so dass er erhebliche Einkommensausfälle erlitten habe (im Einzelnen Bl. 252 GA).
Im Hinblick auf die Dauerfolgen sei ein Schmerzensgeld von 30.000 DM angemessen. Der Eintritt künftigen Schadens sei wahrscheinlich.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 78.695,94 DM zu zahlen, nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 24.08.1994 bis zum 01.10.1995 und für die Zeit ab 02.10.1995 8 % aus 50.000 DM und 4 % aus 28.695,94 DM;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 24.08.1994 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen aus dem Unfall vom 13.04.1994 entstehenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit der Anspruch auf Schadensersatz nicht auf Sozialversicherungsträger übergangen ist.
Die Beklagte und ihr Streithelfer haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Das Unfallgeschehen sei mit Nichtwissen zu bestreiten.
Die Treppenanlage sei sehr wohl verkehrssicher. Soweit der vom Kläger herangezogene Sachverständige beanstande, dass ein zweiter Handlauf fehle, stelle dies einen verkehrswidrigen Zustand nicht dar. Die nicht bindende Empfehlung des Gemeindeunfallverbands gelte nur für nach dem Jahr 1992 hergestellte Treppen; die hier streitige Treppenanlage sei aber zuvor errichtet worden. Auch aus der Landesbauordnung lasse sich nicht herleiten, dass die Treppe mit zwei Handläufen hätte versehen werden müssen.
Da die Stufen eine Auftrittsbreite von ca. 30 cm hätten, seien die an den Vorderkanten angebrachten Winkeleisen aus Riffelblech nicht zu beanstanden. Für den verkehrssicheren Zustand der Treppe spreche auch die Tatsache, dass sich auf ihr noch nie Unfälle ereignet hätten.
Bei Bejahung eines Haftungsgrundes treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden; er habe den vorhandenen Handlauf nicht benutzt; auch seien die Metallschienen für jeden Passanten gut sichtbar.
Die Streithelferin hat geltend gemacht:
Sie sei nicht verkehrssicherungspflichtig, denn die Unterhaltungslast sei auf das Kreuzungsbauwerk der Bundesfernstraße beschränkt. Im Übrigen sei der Unfall auf die bloße Unachtsamkeit des Klägers zurückzuführen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage durch das von der Beklagten angefochtene (Bl. 275, 283 GA) Urteil (Bl. 249 bis 262 c GA) weitgehend stattgegeben.
Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Da die Treppenanlage nicht zum Kreuzungsbauwerk gehöre, sondern ein sonstiger T...