Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines Teilurteils bei Klage und Widerklage; Anforderungen an die Substantiierungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Teilversäumnisurteil über die Klage, verbunden mit einem (Teil-)Schlussurteil über die Widerklage ist unzulässig, wenn der Streitstoff identisch ist und der Rechtsstreit durch die Teilentscheidungen in ein Einspruchsverfahren bei dem erstinstanzlichen Gericht einerseits und ein Berufungsverfahren andererseits aufgespalten werden kann.

2. Ein Sachvortrag ist schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 5 O 314/99)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz vom 14.2.2000 mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit darin der Widerklage stattgegeben worden ist.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens – an das LG Koblenz zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erheben.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde (Bl. 11–15 GA). Er hat darin dem Beklagten unter anderem die Zahlung von 310.000 DM versprochen. Dabei handelt es sich um einen Teil des Kaufpreises für ein Schiff. Der Gesamtkaufpreis betrug 470.000 DM. Wegen der verbleibenden 160.000 DM sollte dem Beklagten ein Schiff des Klägers übereignet werden.

Vertragspartei des Kaufvertrages ist neben dem Kläger auch dessen Ehefrau (Bl. 8 GA).

Der auf Anfechtung und Wandelung des Kaufvertrages gestützten Klage ist der Beklagte entgegengetreten. Er bestreitet die vom Kläger behaupteten Anfechtungs- und Wandelungsgründe.

Außerdem hat der Beklagte Widerklage auch gegen die Ehefrau des Klägers erhoben. Beide Widerbeklagten sollen zur Übereignung des Schiffs im Wert von 160.000 DM verurteilt werden.

Die widerbeklagte Ehefrau hat demgegenüber die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des LG Koblenz erhoben.

In der mündlichen Verhandlung am 24.1.2000 erklärte der gemeinsame Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Widerbeklagten, zur Klage keinen Antrag zu stellen. Daraufhin beantragte der Beklagte insoweit den Erlass eines Versäumnisurteils. Im Übrigen stellte er den Antrag aus der Widerklage. Die widerbeklagte Ehefrau wiederholte dazu die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit; der Kläger bat um Abweisung der gegen ihn gerichteten Widerklage.

Daraufhin hat das LG durch „Versäumnis- und Teilurteil” die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, sein Schiff im Wert von 160.000 DM an den Beklagten „herauszugeben”. Der Kaufvertrag sei weder wirksam angefochten noch gewandelt; die Mängelrügen des Klägers seien unsubstantiiert. Zugleich mit dem Urteil hat die Richterin einen Hinweisbeschluss verkündet, wonach sie die örtliche Zuständigkeit des LG Koblenz für die gegen die Ehefrau des Klägers gerichtete Widerklage verneint.

Das Versäumnis- und Teilurteil ist in erster Instanz mit dem Einspruch (Säumnisentscheidung) und im vorliegenden Rechtsmittelverfahren mit der Berufung (Teilentscheidung über die Widerklage) angefochten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat einen vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Teilurteils und zur Zurückverweisung an das LG. Denn dessen Verfahren leidet an mehreren wesentlichen Mängeln (§ 539 ZPO), die ihrer Art nach einer abschließenden Sachentscheidung durch den Senat (§ 540 ZPO) entgegenstehen.

Im einzelnen:

1. a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Teilurteil unzulässig ist, wenn sein Erlass die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen heraufbeschwört (vgl. BGH v. 11.4.1990 – XII ZR 32/89, NJW 1991, 570; OLG Koblenz v. 17.3.1997 – 12 U 501/96, OLGReport Koblenz 1997, 175 = NJW-RR 1997, 1156 jew. m.w.N.).

So liegt es hier.

Die Säumnisentscheidung des LG kann mit dem Einspruch angefochten werden (§ 338 ZPO). Von diesem Rechtsbehelf hat der Kläger mittlerweile auch form- und fristgerecht Gebrauch gemacht. Entscheidungserheblich ist im weiteren Verfahren bei dem LG, ob der Kaufvertrag über das vom Beklagten veräußerte Schiff wirksam angefochten oder gewandelt ist.

Auf dieselbe Frage kommt es auch im vorliegenden Berufungsverfahren an. Greift die Anfechtung oder die vom Kläger erklärte Wandelung, ist die Widerklage abzuweisen.

Mithin könnte das weitere Verfahren bei dem LG zu dem Ergebnis führen, dass der Kaufvertrag nichtig (§ 142 BGB), rückabzuwickeln oder anzupassen ist (§ 462 BGB). Zugleich wäre im Berufungsverfahren eine gegenteilige Entscheidung denkbar. Da Klage und Widerklage auf denselben Sachverhalt gestützt sind, war daher eine Teilentscheidung über die Widerklage nicht statthaft.

b) Ob das auch daraus folgt, dass die Einzelrichterin über...

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