Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine gemischte Schenkung, wenn lebenslanges Wohnrecht des Verkäufers den gegenüber dem Grundstückswert viel zu niedrigen Kaufpreis kompensiert
Leitsatz (amtlich)
1. Ein vom Vorkaufsrecht erfasster Vertrag liegt auch dann vor, wenn der Kaufpreis lediglich 64 % des Verkehrswertes beträgt, ein dem Verkäufer verbleibendes unentgeltliches Wohnrecht die Differenz aber kompensiert.
2. Dass ein derartiges Wohnrecht als Leihe zu qualifizieren ist, macht es nicht wertlos, wenn die Rückforderung zu Lebzeiten des Entleihers ausgeschlossen ist.
Normenkette
BGB §§ 126-127, 154, 311b, 433, 463-464, 516, 604, 873, 888, 925, 1094, 1098, 1100; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 13.06.2012; Aktenzeichen 5 O 142/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Mainz vom 13.6.2012 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
a. Der Beklagte Dirk Ferdinand S. wird verurteilt, folgende Willenserklärungen abzugeben:
aa. Ich bin mir mit dem Kläger darüber einig, dass das Eigentum an dem Grundstück Gebäude- und Freifläche Alzeyer Strasse 12 in U., Gemarkung U., Flur 1, Flurstück Nr. 316/1, eingetragen im Grundbuch von U., Blatt 1980, zu den in dem von Herrn Notar Paul S. aus W. unter der Urkundenrolle Nr. 92 für das Jahr 2008 am 30.1.2008 geregelten Bedingungen auf den Kläger übergeht, Zug um Zug gegen Zahlung von 48.000 EUR an den Beklagten zu 2).
bb. Ich bewillige hiermit die Eintragung des Klägers als Eigentümer des oben unter aa. bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch.
b. Der Beklagte Alex B. wird verurteilt, seine Zustimmung zu der oben unter a. aa. beanspruchten Auflassung sowie der Eintragung des Klägers als Eigentümer des oben unter a. aa. bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch von U., Blatt 1980, zu erteilen.
c. Beide Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten von 150 EUR zu zahlen.
d. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
2. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens 5 U 135/10 OLG Koblenz fallen 18 % dem Kläger und 82 % den Beklagten als Gesamtschuldnern zu Last.
Die gesamten Kosten des Berufungsverfahres 5 U 789/12 haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger entsprechende Sicherheit leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist Begünstigter eines Vorkaufsrechts. Verpflichteter ist der Erstbeklagte, der das Hausanwesen in U. durch notariellen Vertrag vom 30.1.2008 für 48.000 EUR an den Zweitbeklagten veräußerte, der auch bereits als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Aufgrund seines Vorkaufsrechts nimmt der Kläger den weiter in dem Haus wohnenden Erstbeklagten auf Auflassung und den Zweitbeklagten als neuen Eigentümer auf Zustimmung zur Auflassung in Anspruch, Zug um Zug gegen Zahlung von 48.000 EUR an den Zweitbeklagten. Daneben sollen die Beklagten 1.641,96 EUR Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung erstatten.
Weitere erstinstanzliche Anträge auf Zahlung von 5.750 EUR Nutzungsentschädigung und Feststellung der Unwirksamkeit einer Anfechtungserklärung des Zweitbeklagten sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens; insoweit ist die Klageabweisung erster Instanz rechtskräftig geworden.
Die Beklagten haben eingewandt, tatsächlich liege kein Kauf, sondern eine gemischte Schenkung vor. Neben dem Kaufpreis von 48.000 EUR sei nämlich vereinbart worden, dass der Erstbeklagte noch 10 Jahre in dem Haus mietfrei wohnen dürfe. Tatsächlich betrage der Verkehrswert des Anwesens mehr als 100.000 EUR. Der Kläger habe im Dezember 2007 verbindlich erklärt, kein Interesse an der Immobilie zu haben. Darin liege ein Verzicht auf das Vorkaufsrecht.
Durch ein erstes Urteil hatte das LG der Klage weitgehend stattgegeben und diese Entscheidung auf §§ 1094, 1098, 464, 925, 873 und 888 BGB gestützt. Ein Verzicht des Klägers auf das Vorkaufsrecht sei nicht bewiesen. Die vom Zweitbeklagten erklärte Anfechtung greife nicht. Für eine gemischte Schenkung bestehe kein zureichender Anhalt. Der behauptete Verkehrswert von mehr als 100.000 EUR sei durch das vorgelegte Privatgutachten nicht plausibel gemacht. Pro Monat unberechtigter Nutzung schulde der Zweitbeklagte dem Kläger 250 EUR nach §§ 997 ff. BGB.
Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das LG, weil dort ein Beweisangebot zum Verkehrswert des Anwesens übergangen worden war (OLG Koblenz 5 U 135/10 vom 8.7.2010, auszugsweise veröffentlicht in ZMR 2012, 832 - 833).
Das LG hat sodann Sachverständigenbeweis erhoben. Der Gutachter hat den Verkehrswert des Hausgrundstücks zum Zeitpunkt der Veräußerung auf 75.000 EUR geschätzt und daran im Ergänzungsgutachten vom 5.12.2011 festgehalten. Außerdem hat das LG die Mutter des Erstbeklagten als Zeugin befragt. Sie ist die Lebensgefährtin des Zweitbeklagten...