Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines völligen Unterhaltsverzichts
Verfahrensgang
AG Mainz (Urteil vom 23.04.2003; Aktenzeichen 31 F 135/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des AG - FamG - Mainz vom 23.4.2003 teilweise abgeändert und unter Ziff. 2 neu gefasst wie folgt:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung Ehegattenunterhalt i.H.v. 795 Euro monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage in der Folgesache Ehegattenunterhalt abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Antragsteller zu 9/13 und die Antragsgegnerin zu 4/13. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen der Antragsteller zu 5/7 und die Antragsgegnerin zu 2/7.
Das Urteil ist, soweit der Antragsteller zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verurteilt wurde, vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 13.500 Euro abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.300 Euro abwenden, wenn nicht der Antragsteller Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird in Ansehung der Folgesache Ehegattenunterhalt zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller (geb. 1948) begehrt die Scheidung der am 15.4.1997 geschlossenen Ehe mit der Antragsgegnerin (geb. 1960). Die Antragsgegnerin widersetzt sich dem Scheidungsantrag und verfolgt - hilfsweise - ab Rechtskraft der Scheidung die Zahlung von nachehelichem Unterhalt sowie - im zweiten Rechtszug - die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Parteien leben seit Oktober 2001 getrennt; gemeinsame Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Antragsgegnerin, die in Russland den Beruf der Diplom-Musikpädagogin (Klavier) erlernt und ausgeübt hatte, war bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Ehevertrages vom 14.4.1997 (Bl. 5-13 GA) an Multipler Sklerose erkrankt. Die Erkrankung, die zu ihrer vollständigen Erwerbsunfähigkeit geführt hat, wurde klinisch sicher im Mai 1997 diagnostiziert (Bericht des Universitätsklinikums Mainz vom 2.3.1999; Bl. 12/13 d.A. AG Mainz - 31 F 135/02.UE); seit Oktober 1997 ist die Antragsgegnerin gehunfähig und auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Pflege der Antragsgegnerin wird seit der Trennung weitgehend von ihrem Sohn S. (geb. 1988) übernommen, der einer früheren Beziehung der Antragsgegnerin in Russland entstammt.
Das AG hat - nach Anhörung der Parteien und Beweisaufnahme - mit Urteil vom 23.4.2003 (Bl. 127-131 GA; berichtigt durch Beschl. v. 4.6.2003, Bl. 158a GA) die Ehe der Parteien geschieden und die Unterhaltsklage der Antragsgegnerin abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin bringt vor, dass der Ehescheidung - mit Rücksicht auf die Interessen ihres Sohnes S., aber auch in Anbetracht ihres gesundheitlichen Zustandes - zumindest die Härteklausel des § 1568 BGB entgegenstehe. Für den Fall der Scheidung könne sie aber jedenfalls Ehegattenunterhalt beanspruchen, da der in den notariellen Verträgen vom 14.4.1997 und vom 15.10.1997 vereinbarte Totalverzicht, dem keine Zuwendung zu ihren Gunsten gegenübergestanden habe, unwirksam sei. Sie sei zwingend auf den sozialen Schutz der Ehe angewiesen gewesen und habe sich überdies in einer emotionalen Zwangslage befunden; auch habe ihr vor bzw. im Notartermin keine Übersetzung des Vertragstextes in die russische Sprache vorgelegen. Auf den genauen Zeitpunkt der Diagnose ihrer MS-Erkrankung komme es im Übrigen nicht entscheidend an; beiden Parteien sei jedenfalls bereits im Vorfeld der Notarverträge eine "untersuchungsbedürftige Erkrankung" der Antragsgegnerin bekannt gewesen. Der Unterhaltsanspruch errechne sich - auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers und unter Berücksichtigung der gesicherten zukünftigen Veränderungen - mit 901 Euro (Bl. 291-295 GA). Die Unwirksamkeit des Ehevertrages ergreife schließlich auch den vereinbarten Verzicht auf den Versorgungsausgleich; sie habe - was unstreitig ist - weder eigenes Vermögen noch sei sie in der Lage, eine eigenständige Versorgung aufzubauen.
Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des AG - FamG - Mainz vom 23.4.2003 - 31 F 135/02 - abzuändern und den Scheidungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
a) die Entscheidung über die Unterhaltsklage (Ziff. 2. des amtsgerichtlichen Urteilstenors vom 23.4.2003) abzuändern und den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 991 Euro zu zahlen und
b) den Versorgungsausgleich durchzuführen.
Der Antragsteller beantragt, di...