Scheidung wird nur ausnahmsweise wegen damit verbundener psychischer Belastung versagt
Ehefrau möchte nicht geschieden werden
2019 Heirat, 2020 Trennung, 2021 Scheidung. Beim Ja-Wort und dem Entschluss auseinanderzugehen, waren sich Beide einig, die Scheidung wollte die Frau dann aber doch nicht. Sie wehrte sich dagegen, erst vor dem Familiengericht Coburg, dann vor dem OLG Bamberg.
Alkohol hat schnell einen Keil zwischen die Jungvermählten getrieben
Die Trennung initiiert hatte die Frau selbst. Sie bemängelte an ihrem Angetrauten den übermäßigen Alkoholkonsum. Für den von ihr gewünschten Entzug und den Weg in die Abstinenz stellte sie ihm ein Ultimatum von drei Jahren, dann würde sie ein Zusammenleben mit ihm wieder neu erwägen. Der Mann war mit der Trennung einverstanden; der nächste logische Schritt für ihn war die Scheidung.
Scheidung verschlimmert psychisch labilen Zustand
Vor dem endgültigen Aus der Ehe aber schreckte die Frau zurück. Sie schilderte vor Gericht ihre verzweifelte persönliche Situation. Sie sei psychisch extrem belastet, leide unter Perspektivlosigkeit, sei suizidgefährdet und deswegen zeitweise in einer Klinik in Behandlung. Die Scheidung würde diese katastrophale Situation verschlimmern. Juristisch berief sie sich damit auf den Härtefall, der eine Scheidung ausnahmsweise hindert.
Härteklausel gem. § 1568 BGB:
Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, … wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.
Objektiver Bewertungsmaßstab ist anzulegen
Weder das AG Coburg noch das OLG Bamberg hielten bei diesem Sachverhalt den Härtefall für einschlägig. Beide Gerichte verwiesen auf die BGH-Rechtsprechung, wonach es nicht auf das subjektive Empfinden des die Scheidung ablehnenden Parts ankomme, sondern darauf, dass nach den äußeren Umständen bei objektiver Beurteilung eine Ausnahmesituation vorliege.
Krankheit kann im Einzelfall zur Anwendung der Härteklausel führen
Theoretisch ist es möglich, dass eine Krankheit oder die Verschlechterung einer Erkrankung zum Eingreifen der Härteklausel führt. In diesem Fall aber, in dem die Trennung von der Betroffenen selbst ausgesprochen wurde, wurde dies abgelehnt.
- Sie selbst war nicht bereit mit ihrem Ehemann zusammenzuleben, sondern stellte dies lediglich als Möglichkeit in die Ferne und knüpfte es an eine Bedingung, die bislang nicht eingetreten war. Vor allem dieser Widerspruch war es, der sich nicht zugunsten der Antragstellerin auflösen ließ.
- Für die Richter war auch nicht einsichtig, dass der formale Akt der Scheidung schlimmere Auswirkungen auf die psychisch Kranke haben sollte als die vorangegangene tatsächliche Trennung und die schon damit eingetretene maßgebliche Änderung der Lebensumstände.
- Mit Blick auf die suizidalen Gedanken der Frau war ebenfalls das Ursache-Wirkungs-Prinzip im Prozess nicht ausreichend dargelegt. Ein noch vorhandenes eigenverantwortliches Handlungsvermögen der Frau wurde aufgrund der Tatsache, dass sie sich selbst in eine Klinik begeben hat, festgestellt.
(OLG Bamberg, Beschluss v. 15.12.2021, 7 UF 211/21).
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Hintergrund: Ehegattenschutzklausel
Die Eheschutzklausel aus § 1568 BGB soll dem an der Ehe festhaltenden Ehegatten die Möglichkeit und die Zeit geben, sich auf die Auflösung der Ehe einzustellen (BTDrs 7/4361, 13). Da die Ehescheidung gegen den Willen eines Ehegatten regelmäßig mit Härten verbunden ist, ist der Maßstab für die schwere Härte nicht die Ehe schlechthin, sondern die bereits gescheiterte. Nur dann, wenn sich auf Grund außergewöhnlicher Umstände durch die Scheidung besondere Härten ergeben, kann an der bereits gescheiterten Ehe festzuhalten sein. Die Härte muss durch die Auflösung des Ehebandes, nicht durch die Trennung begründet sein (Brandbg FamRZ 10, 1803). Die Ablehnung der Scheidung muss das einzige Mittel sein, um den Ehegatten vor einer für ihn scheidungsbedingt entstehenden unerträglichen Lage zu bewahren (BGH v. 20.05.1992 , XII ZR 255/90]).
Krankheit reicht dann nicht aus, die schwere Härte zu begründen, wenn sie nicht zu einer psychischen Ausnahmesituation geführt hat. Anders aber etwa im Spätstadium der Erkrankung des an der Ehe festhaltenden Ehegatten an multipler Sklerose, wenn schon kleine Aktivierungen der Entzündungsvorgänge massive Anfälle bewirken, so dass die Gefahr wesentlicher gesundheitlicher Verschlechterungen besteht (BGH v. 05.06.1985, IVb ZR 13/84). Die religiöse Überzeugung eines Ehegatten und seine Stellung in einer Glaubensgemeinschaft können die schwere Härte nicht begründen.
Die Suizidgefahr führt nur dann zur Anwendung der Norm, wenn sie aus einer von dem Ehegatten nicht zu steuernden psychischen Ausnahmesituation resultiert , nicht dagegen dann, wenn sie eine von dem Ehegatten selbst zu verantwortende Fehlreaktion darstellt.
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