Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei schweren Misshandlungen

Bei schweren körperlichen Misshandlungen durch den Ehepartner kann dessen  Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig sein und gem. der Härteklausel des  § 27 VersAusglG entfallen. Grund: Der damit verbundene Rechtseingriff wäre nicht mehr durch Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt.

Wird eine Ehe geschieden, werden die in der Ehe erworbenen Rentenansprüche der Ehepartner im Rahmen des Versorgungsausgleichs grundsätzlich anteilig berücksichtigt und ausgeglichen. Es gibt jedoch Ausnahmen - so das OLG Oldenburg - in Fällen, in denen ein solcher Ausgleich ungerechtfertigt weil grob unbillig wäre.

Sinn des Versorgungsausgleichs kann entfallen

Der Versorgungsausgleich soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit der Eheleute eine Versorgungsgemeinschaft ist. Aus diesem Grunde werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt.

Härteklausel § 27 VersAusglG  als Gerechtigkeitskorrektivs

Damit der Versorgungsausgleich nicht zu unbilligen Ergebnissen führt, erfüllt § 27 VersAusglG als Härteklausel die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs.

Die Vorschrift soll als Ausnahmeregelung

  • eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in Fällen ermöglichen,
  • in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs
  • zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen
  • oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde.

Fesselung ans Bett - Ehefrau erlitt Todesängste

Über einen solchen Härtefall hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden:  Hier hatte der Ehemann seine Ehefrau während der Ehezeit mehrmals körperlich misshandelt. Unter anderem warf er ihr einen Blumentopf an den Kopf, wodurch ihr Trommelfell einriss. Anschließend fixierte er sie mit den Armen und Beinen an das Bett und drückte ihr ein Kopfkissen in das Gesicht. Hierdurch musste sie Todesängste erleiden. Erst als der Sohn der Mutter zu Hilfe eilte, ließ der Ehemann von ihr ab.

Ehemann wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt

Vom Amtsgericht Leer wurde der Ehemann wegen der vorsätzlichen Körperverletzung in fünf Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer 16- monatigen Freiheitsstrafe, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

  • Trotz der gegenüber seiner Ehefrau verübten Straftaten, führte das Familiengericht die Teilung der Rentenansprüche im Rahmen des Versorgungsausgleichs durch.
  • Nach dessen Auffassung seien die Straftaten nicht so erheblich, dass ein Versorgungsausgleich grob unbillig wäre.
  • Zudem habe die Frau ihrem Ehemann mehrfach verziehen und das Eheverhältnis sei offenbar nicht nur durch die Straftaten geprägt gewesen, so das Gericht weiter.

Häufigkeit und Schwere der Straftaten zu berücksichtigen

Das OLG Oldenburg entschied jedoch auf die Beschwerde der Ehefrau in ihrem Sinne:

  • Unter Berücksichtigung der Summe der verübten Straftaten wiege besonders der Vorfall mit der Fesselung besonders schwer.
  • Hier erlitt die Ehefrau Todesängste, weshalb sie das Ganze als Tötungsversuch empfinden musste, obwohl der Ehemann nur wegen einer gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurde.
  • Darüber hinaus konnten weitere Misshandlungen nur durch das Einschreiten des Sohnes verhindert werden.
  • Daher sei es nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Ehemann an den Rentenansprüchen der Ehefrau teilhabe. Das Fehlverhalten des Mannes relativiere sich auch nicht dadurch, dass sich die Ehefrau zwischenzeitlich versöhnen wollte.

 (OLG, Beschluss v. 18.04.2017, 3 UF 17/17 - rechtskräftig).

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Hintergrund:

Bei der Auslegung des Merkmals der groben Unbilligkeit in § 1587c Nr. 1 BGB ist zu beachten, dass es Zweck dieser Vorschrift ist, Eingriffe in die durch Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Rechte des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu vermeiden, die nicht mehr durch Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sind.

Die Vorschrift kann nicht dazu herhalten, jegliches eheliches Fehlverhalten zu sanktionieren; der Versorgungsausgleich soll nicht als Belohnung für eheliche Treue dienen.

  • Das Vorliegen einer "groben Unbilligkeit" muss sich aus einer Würdigung der beiderseitigen Verhältnisse der Eheleute ergeben.
  • Es ist zu prüfen, ob eine Kürzung – statt eines Ausschlusses – des Versorgungsausgleichs eine "grobe Unbilligkeit" vermeiden kann (BVerfG Beschluss v. 20.05.2003, 1 BvR 237/97).

Bei der Verwirkungsvorschrift im Versorgungsausgleich ist der Maßstab nach herrschender Meinung ähnlich streng wie beim Unterhalt (§ 1381 BGB), wobei gelegentlich die Auffassung vertreten wird, dass § 1381 BGB strenger auszulegen sei als § 27 VersAusglG ( OLG München FamRZ 2013, 879).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass grobe Unbilligkeit im Unterhaltsrecht durchaus nicht identisch ist mit grober Unbilligkeit beim Zugewinn oder beim Versorgungsausgleich. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausgleichssysteme Zugewinn und Versorgungsausgleich der Aufteilung des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens der Eheleute dienen und demzufolge den verfassungsrechtlichen Anspruch der Ehegatten auf gleiche Teilhabe an in der Ehe erworbenem Vermögen gewährleisten sollen.


Schlagworte zum Thema:  Versorgungsausgleich, Scheidung