Kein Versorgungsausgleich bei ehefeindlichem Verhalten
Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens wird der Versorgungsausgleich bis auf wenige Ausnahmen von Amts wegen durchgeführt. Das Gesetz sieht zum Zwecke der finanziellen Sicherung der Eheleute im Alter grundsätzlich eine Halbteilung der während der Ehe erworbenen Altersversorgung vor.
Altersversorgung vom Ehemann auf gemeinsamem Konto angespart
Das KG Berlin hatte über das etwas dreiste Verhalten einer getrenntlebenden Ehefrau zu entscheiden. Die Ehefrau hatte ihren in Berlin lebenden Ehemann verlassen und sich mit ihrer nicht von ihrem Ehemann stammenden Tochter auf Mallorca niedergelassen. Die Eheleute verfügten über ein gemeinsames Konto, auf dem der Ehemann über 140.000 EUR angespart hatte. Die Ersparnisse sollten für die Alterssicherung der Eheleute verwendet werden.
Ersparnisse für Altersversorgung während schwerer Krankheit abgeräumt
Einige Zeit nach der Trennung erlitt der Ehemann einen Schlaganfall, auf den eine längere Genesungszeit folgte. Trotz monatlicher Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.500 EUR an die Ehefrau räumte diese das gemeinsame Konto während der Rekonvaleszenz ihres Mannes – von diesem zunächst unbemerkt – leer.
Ehefrau fordert im Scheidungsverfahren Versorgungsausgleich
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens machte die Ehefrau Versorgungsausgleichsansprüche in Höhe von knapp 100.000 EUR geltend. Gleichzeitig wurde sie von ihrem getrenntlebenden Gatten auf Rückzahlung der vom Konto entnommenen Beträge von mehr als 140.000 EUR zivilgerichtlich in Anspruch genommen.
Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei grober Unbilligkeit
Der Ehemann beantragte beim Familiengericht erfolgreich den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG. Nach dieser Vorschrift ist von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abzusehen, wenn dieser grob unbillig wäre. Gemäß § 27 Satz 2 VersAusglG setzt grobe Unbilligkeit voraus, dass eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ein Abweichen von dem ansonsten gültigen Grundsatz der Halbteilung rechtfertigt.
Schwerwiegendes ehefeindliches Fehlverhalten
Im konkreten Fall sah das KG die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs als gegeben an. Das KG bewertete die Ausnutzung der schweren Erkrankung ihres Ehemannes zur Abhebung erheblicher Beträge, die der Ehemann für die gemeinsame Alterssicherung angespart hatte, als zutiefst ehefeindliches Fehlverhalten. Aus rein egoistischen Motiven habe sie die von dem Ehemann angesparte Alterssicherung zerstört. Von dem Geld habe sie für sich eine Eigentumswohnung auf Mallorca erworben und dabei die Interessen ihres Ehemannes am Erhalt der Alterssicherung völlig missachtet.
Teilhabe an Altersversorgung ihres Ehemannes wäre unbillig
Das KG bewertete das Verhalten der Ehefrau als rücksichtslos. Um ihren Ehemann von der Rückforderung der zu Unrecht abgehobenen Beträge abzuhalten, habe sie diesem unter anderem mit Anzeigen beim Finanzamt gedroht. Damit habe sie in der Gesamtsicht vorsätzlich eine Situation herbeigeführt, in der eine Teilhabe an der Altersversorgung ihres Ehemannes grob unbillig und mit den Wertungen der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre.
Selbstschädigung schuldhaft herbeigeführt
Der Einwand der Ehefrau, dass ihr Ehemann die vom Konto entnommenen Beträge gerichtlich zurückverlange und sie damit bei einer Versagung des Versorgungsausgleichs doppelt geschädigt sei, führte zu keiner anderen Beurteilung des KG. Auch hier verwies das Gericht auf die vorsätzliche und rücksichtslose Handlungsweise der Ehefrau, die keinen rechtlichen Schutz rechtfertige.
Kein Versorgungsausgleich plus mögliche Verurteilung zur Rückzahlung
Im Ergebnis könnte die Ehefrau tatsächlich doppelt gebeutelt sein. An der Altersversorgung ihres Ehemannes wird sie nach der Entscheidung des KG nicht beteiligt. Darüber hinaus ist eine zivilgerichtliche Verurteilung auf – zumindest teilweise - Zurückzahlung der vom Konto ohne Absprache mit ihrem Ehemann entnommenen Beträge nicht ganz unwahrscheinlich.
(KG Berlin, Beschluss v. 7.3.2024, 16 UF 112/23)
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Hintergrund:
In der Praxis versagen die Gerichte im Rahmen von Scheidungsverfahren die Durchführung des Versorgungsausgleichs äußerst selten, denn die Versagung führt – jedenfalls nach einer langjährigen Ehe – häufig zu erheblichen finanziellen Problemen des betroffenen Ehepartners im Alter bis hin zu Altersarmut.
Gegenseitige Vermögenslagen sind zu berücksichtigen
Vor diesem Hintergrund hat der BGH entschieden, dass eine grobe Unbilligkeit vor allem dann in Betracht kommt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte über Vermögen verfügt, durch welches er für das Alter abgesichert ist, während der verpflichtete Ehepartner auf die von ihm erworbenen Versorgungsanwartschaften zu seiner sozialen Absicherung dringend angewiesen ist (BGH, Beschluss v. 25.5.2005, XII ZB 135/02). Besteht eine solche Absicherung über Vermögenswerte nicht, so kommt ein Ausschluss nur ganz ausnahmsweise bei grob ehefeindlichem Verhalten des Ehepartners in Betracht (BGH, Urteil v. 15.2.2012, XII ZR 137/09).
Schwere Körperverletzungsdelikte als Ausschlussgrund
Das OLG Oldenburg hatte einem Ehemann, der seiner Ehefrau mehrfach erhebliche Körperverletzungen bis hin zu einem Tötungsversuch zugefügt hatte, die Teilhabe an den Rentenansprüchen der Ehefrau versagt, nachdem das Familiengericht trotz dieser erheblichen Straftaten den Versorgungsausgleich nicht ausschließen wollte (OLG Oldenburg, Beschluss v. 18.4.2017, 3 UF 17/17).
Unterschieben eines Kindes kann Ausschluss rechtfertigen
Das OLG Köln hat in einem Fall, in dem eine Ehefrau ihren Ehemann in den falschen Glauben gewogen hat, dass das infolge eines Seitensprungs geborene Kind von ihm sei, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit versagt. Die Ehefrau habe durch die bei ihrem Ehemann bewusst hervorgerufene Fehlvorstellung gravierend in dessen persönliche autonome Lebensgestaltung eingegriffen und damit den Anspruch auf Teilhabe an dessen Altersversorgung verwirkt (OLG Köln, Beschluss v. 15.2.2013, 4 UF 226/12).
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