Mit dieser spannenden Frage hatte sich das OLG Zweibrücken zu beschäftigen. Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens widersprach der Ehemann der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit dem Argument, seine Ehefrau habe während der Ehe über viele Jahre ihre eheliche Treuepflicht nachhaltig verletzt. Entgegen seinem ausdrücklichen Willen sei sie
- jahrelang der Prostitution nachgegangen, was ihn nachhaltig und erheblich gekränkt habe.
- Außerdem habe die Ehefrau sich um die beiden gemeinsamen Kinder nur unzureichend gekümmert, da sie aufgrund ihrer außerehelichen Tätigkeit nur wenig Zeit gehabt habe.
- Sie wäre nach Auffassung ihres Ehemannes auch ohne weiteres selbst in der Lage gewesen, sich eine angemessene Altersversorgung aufzubauen; dies habe sie aber nicht getan.
- Lieber habe sie Gelder in großem Umfang zu ihrer Ursprungsfamilie nach Thailand transferiert.
Ehemann hält Versorgungsausgleich für grob unbillig
Zum Familienunterhalt in Deutschland hatte die Frau nach Ansicht ihres Ehemannes viel zu wenig beigetragen. In Thailand besitze sie inzwischen ein eigenes Haus und sei hierdurch auch für die Eventualitäten des Alters abgesichert; er selbst sei an Diabetes mellitus erkrankt und zu 50 % schwerbehindert. Es sei unsicher, ob er überhaupt die Regelaltersgrenze erreiche. Vor diesem Hintergrund hielt es der Ehemann für grob unbillig, wenn die von ihm während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften zur Hälfte auf seine Ehefrau übertragen würden.
Absehen vom Versorgungsausgleich nur in extremen Ausnahmefällen
Gemäß § 27 VersAusglG kann das Familiengericht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs im Rahmen des Scheidungsverfahrens absehen, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs für eine Partei grob unbillig wäre. Grob unbillig ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur ganz ausnahmsweise, wenn sie unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundintention dem Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs in grober Weise widersprechen würde und unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten schier unerträglich wäre (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 4.4.2006, 2 UF 267/04).
Prostitution alleine ist kein Ausschließungsgrund
Das mit der Entscheidung befasste OLG stellte klar, dass allein die Tatsache, dass die Ehefrau während der Ehe der Prostitution nachgegangen ist, einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht rechtfertigt. Zwar ist nach Auffassung des OLG zu erwägen, dass eine Ausübung der Prostitution ohne Kenntnis und ohne Einverständnis des Ehemannes in besonders nachhaltiger und kränkender Weise die Voraussetzungen der Versagung erfüllen könne. Im vorliegenden Fall sei dem Ehemann die Tätigkeit der Ehefrau jedoch über mehrere Jahre hinweg bekannt gewesen, er habe dies ohne nachhaltige Intervention - wenn nicht gebilligt - so doch zumindest hingenommen. Die Erklärung des Ehemannes, er habe sein Einverständnis ausdrücklich verweigert, weil das Verhalten der Ehefrau für ihn schier unerträglich gewesen sei, hielt der Senat für wenig glaubhaft angesichts der Tatsache, dass der Ehemann zunächst dem Scheidungsantrag der Ehefrau vehement entgegengetreten war.
Einwendung des Ehemannes zu unsubstantiiert
Auch die Behauptung des Ehemannes, seine Ehefrau habe ihre Pflichten als Mutter der gemeinsamen Kinder vernachlässigt, sah das Gericht als nicht erwiesen an. Die von der Ehefrau bestrittenen Behauptungen des Ehemannes hierzu seien wenig substantiiert und nicht durch konkrete Tatsachen unterlegt. Ähnliches gelte für die streitige Behauptung, die Ehefrau habe zum Familienunterhalt wenig beigetragen.
Kein grob illoyales Verhalten der Ehefrau
Als selbständige Prostituierte war die Ehefrau nach Auffassung des Senats auch nicht zwingend gehalten, eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Nur wenn ein solches Verhalten sich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände als besonders illoyal und grob leichtfertig erweise, könne das Unterlassen des Aufbaus einer eigenen Altersversorgung ausnahmsweise eine Versagung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit rechtfertigen. Hierfür reichten die Anhaltspunkte im vorliegenden Fall nicht aus.
Unterstützung der Heimatfamilie ist grundsätzlich zulässig
Der Senat billigte der Ehefrau auch das Recht zu, einen Teil ihrer Einnahmen an ihre Familie in Thailand zu überweisen. Unbillig im Sinne von § 27 VersAusglG sei dies nur dann, wenn diese Zuwendungen an die Ursprungsfamilie das übliche Maß deutlich überstiegen und hierdurch die Versorgung der Familie in Deutschland in unbilliger Weise gefährdet wäre. Der Senat bemängelte, dass der Ehemann hierzu weder konkrete Zahlen über die Einnahmen aus der Prostitution seiner Frau noch über die Höhe der Überweisungen nach Thailand genannt habe. Der Senat könne daher nicht feststellen, ob und inwieweit Überweisungen der Ehefrau in die Heimat unangemessen hoch gewesen seien.
Ergebnis: Versorgungsausgleich trotz Prostitution
Schließlich war das Gericht auch nicht der Auffassung, dass der Besitz eines Hauses in Thailand zu einer ausreichenden Altersversorgung der Ehefrau führt. Dies folge auch daraus, dass dem Ehemann ohne Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den Berechnungen des OLG eine Altersversorgung von monatlich rund 1.670 Euro zustand, die sich durch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs auf immer noch 1.440 Euro reduziere. Dies bewertete das OLG als noch angemessene Altersversorgung des Ehemannes, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Versorgungsanwartschaften der Ehefrau auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs sich lediglich auf monatlich rund 418 Euro beliefen.
Farbspektrum des Rechts unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel
Im Ergebnis stellte sich die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Ehemann nach Auffassung des OLG damit als nicht unbillig da. Diese Entscheidung kann durchaus als Beispiel dafür gewertet werden, auf welche Weise der Wandel der sittlichen Anschauungen der Gesellschaft sich in der Rechtsprechung niederschlägt. Vor einigen Jahren hätten die Billigkeitserwägungen in einer solchen Fallkonstellation durchaus noch anders aussehen können. Aber auch das Farbspektrum der Justiz untersteht - zu Recht - dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen.
(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 7. 3. 2016, 2 UF 5/16)
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