Leitsatz (amtlich)
1. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Ergebnis nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 21.06.1979 - III ZR 58/78 - VersR 1979, 1055, zitiert nach juris Rn. 8 f. Urteil vom - 02.07.1970 - III ZR 45/67 - NJW 1970, 1682, zitiert nach juris Rn. 9 Urteil vom 10.07.1980 - III ZR 58/79 - VersR 1980, 946, juris Rn. 24 Urteil vom 21.06.1979 - III ZR 58/78 - III ZR 58/78 - VersR 1979, 1055, juris Rn. 9).
2. Ein Fußgänger hat in gewissem Umfang Niveauunterschiede und Unebenheiten im Bereich von Straßen und Plätzen hinzunehmen. Eine Verkehrssicherungspflicht beginnt erst dort beginnt, wo auch für den aufmerksamen Fußgänger eine Gefahrenlage völlig überraschend eintritt oder nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dabei sind Niveauunterschiede von ca. 2 bis 3 cm vom Fußgänger regelmäßig hinzunehmen.
3. Die straßenrechtlichen Bau- und Unterhaltungspflichten stellen keine drittgerichteten bzw. bürgergerichteten Amtspflichten dar (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 30.04.1953 - III ZR 377/51 - BGHZ 9, 373 ff. (385); LG Bielefeld, Urteil vom 11.10.1965 - 6 O 74/65 - VersR 1966, 1088).
4. Die Verwendung von Natursteinpflaster - hier von Basaltplatten und Basaltpflaster - stellt trotz seiner Unebenheiten und unterschiedlichen Fugenbreiten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten dar, wenn diese Gegebenheiten deutlich zu erkennen sind. Denn auf erkennbar unebenen und holprigen Flächen kann eine erhöhte Aufmerksamkeit des Fußgängers erwartet werden. Es ist nicht zuletzt aus Gründen der tatsächlichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit hinzunehmen, dass eine historische Pflasterung, die Unebenheiten aufweist, nicht ausgetauscht wird.
Normenkette
BGB §§ 253, 839 Abs. 1; GG Art. 34 S. 1; LStrG Rhl.-Pf. § 48 Abs. 2, 14
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 186/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das vorbezeichnete Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis in Anspruch.
Die Beklagte betreibt in Mayen den regelmäßig stattfindenden Wochenmarkt. Üblicherweise findet dieser auf dem Marktplatz statt. Am 10.09.2016 wurde dieser wegen der zeitgleichen Abhaltung des Stein- und Burgfestes in die Hahnengasse verlegt. Am 10.09.2016 wurde die Klägerin nach einem Sturz in das St. Elisabeth Krankenhaus nach Mayen transportiert; dort wurde eine Mehrfachfraktur der rechten Patella (Kniescheibe) diagnostiziert.
Die Klägerin hat vorgetragen,
sie habe am 10.09.2016 den Wochenmarkt in Mayen besucht; sie habe flache Schuhe, sog. Ballerinas getragen. In der Hahnengasse sei sie beim Begehen einer beschädigten und ungleichen Basalt-Platte, die einen erheblichen Niveauunterschied zu den übrigen Platten gehabt habe, ins Stolpern geraten und mit dem rechten Knie auf die Kante der nächst höher stehenden scharfkantigen Platte aufgeschlagen. Stolperursache seien Unebenheiten im Straßenbelag in der Hahnengasse mit einem Niveauunterschied von mehr als 2,5 cm gewesen. Die Basaltplatte, über die die Klägerin gestürzt sei, sei ohne Plattenabdeckung rau zerrissen und bröckelig gewesen und habe zum Unfallzeitpunkt tiefer als die benachbarten Platten gelegen. Der Beklagten sei eine grobe Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen. Vor dem Hintergrund, dass Besucher auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe erledigten und hierdurch ihre Aufmerksamkeit auf die Auslagen und nicht auf den Straßenbelag gelenkt sei, bestünden höhere Anforderungen an die Sicherheit des Straßenbelags. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die vorhandenen Gefahrenstellen zu beseitigen oder zumindest vor ihnen zu warnen. Während die Basalt-Platten im Unfallbereich später ausgetauscht worden seien, seien andere Platten mit ähnlichem Niveauunterschied weiterhin als Gefahrenquelle vorhanden geblieben.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich der bisher entstandenen materiellen Schäden einen Betrag in Höhe von 374,12 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz aus ei...