Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche aus Fahrzeugvollversicherung nach missglücktem Ausweichmanöver vor einem Fuchs

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 21.10.2002; Aktenzeichen 5 O 243/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz vom 21.10.2002 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus Fahrzeugvollversicherung in Anspruch.

Am 18.10.2001 befuhr der Kläger mit seinem Pkw Mazda 323 FLH 1,6, der bei der Beklagten mit einer Selbstbeteiligung von 650 DM vollkaskoversichert war, gegen 19.50 Uhr die L 335 aus Richtung D. kommend in Fahrtrichtung M. Der Kläger durchfuhr eine lang gezogene Kurve, bevor die L 335 dann in eine lange Gerade übergeht. Er hat dann links einen Fuchs bemerkt, der die Fahrbahn überqueren wollte und ihm vor das Fahrzeug gelaufen ist. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, hat er sein Fahrzeug nach rechts gezogen und ist dabei in den am Fahrbahnrand verlaufenden Graben geraten. Weder Gegenlenken noch das Halten des Fahrzeuges haben ihm zunächst ermöglicht, hier wieder herauszukommen. Das Fahrzeug ist dann vermutlich gegen einen Felsstein gestoßen, daraufhin dann doch auf die Fahrbahn geraten, wo es sich überschlagen hat.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Leistung aus der Vollkaskoversicherung in Form der Wiederbeschaffungskosten von 23.200 DM abzgl. des Restwertes von 1.660 DM und der Selbstbeteiligung von 650 DM, d.h. insgesamt 20.890 DM, was einem Betrag von 10.680,88 Euro entspricht.

Der Kläger hat ggü. der Beklagten mit Schreiben vom 21.1.2002 unter Fristsetzung zum 28.1.2002 die Versicherungsleistung geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die Versicherungsleistung noch an das Autohaus … abgetreten. Am 8.4.2002 erfolgte die Rückabtretung.

Das LG hat die Beklagte auf Zahlung von 10.680,88 Euro nebst Zinsen unter weiter gehender Klageabweisung wegen eines Teils der Zinsen verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II. Die Berufung ist begründet.

1. Das LG hat der Klage weitestgehend entsprochen. Die Beklagte sei nicht nach § 61 VVG leistungsfrei, da der Unfall durch den Kläger nicht grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Zwar sei das Fahrverhalten des Klägers objektiv fehlerhaft gewesen, subjektiv handele es sich indes nicht um ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten. Es sei zweifelhaft, ob das Fahrverhalten hier überhaupt auf einem willentlich gesteuerten Verhaltensvorgang beruhe. Vielmehr spreche mehr dafür, dass es sich bei dem Fahrverhalten des Klägers um eine Reflexhandlung gehandelt habe. Deshalb sei der Vorwurf eines subjektiv schweren Fehlverhaltens nicht gerechtfertigt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger bewusst sein Fahrzeug nach rechts gesteuert habe, sei dieses Verhalten nicht als grob fahrlässig zu werten, da der Kläger sich in einem Bruchteil einer Sekunde auf eine Verhaltensweise habe festlegen müssen. Schließlich dürfe nicht übersehen werden, dass in der Vollkaskoversicherung das System darauf angelegt sei, Fehlverhalten des Versicherungsnehmers auszugleichen. Die Rspr. zur Teilkaskoversicherung, wonach bei einem Ausweichen vor Kleinwild (Hase, Fuchs etc.), ohne dass es zu einem Zusammenstoß mit dem Tier gekommen sei, Ansprüche mit dem Blick auf eine grob fahrlässige Handlungsweise verneint werden, sei nicht entspr. anzuwenden. Denn die Teilkaskoversicherung biete nur einen minderen Versicherungsschutz mit anderen Grundvoraussetzungen. Im Unterschied zur Vollkaskoversicherung sei dort Voraussetzung, dass es zu einem Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeuges mit Haarwild i.S.d. Bundesjagdgesetzes gekommen sei. Der Versicherungsnehmer könne ansonsten in der Teilkaskoversicherung im Rahmen der Wildschadensklausel nur sog. Rettungskosten nach §§ 62, 63 VVG geltend machen. Soweit das Fahrverhalten aber auf einem reflexartigen Fehlverhalten beruhe, handele es sich nicht um erstattungsfähige Rettungskosten. Anders verhalte es sich bei der Vollkaskoversicherung, wo für sich genommen die Reflexbewegung ein schweres Verschulden nicht ohne weiteres begründen könne.

2. Die Ausführungen des LG werden zu Recht von der Berufung angegriffen. Die Berufung wendet mit Erfolg ein, dass die Ausführungen zur unbewussten Reflexhandlung in Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen im unstr. Tatbestand des landgerichtlichen Urteils stehen. Dort hat das LG ausgeführt, dass das Ausweichen vor dem Fuchs nicht auf einer unbewussten Reflexhandlung, sondern auf einer bewussten, absichtlich so vorgenommenen Handlung beruhte. Auch der Vortrag des Klägers in der Klageschrift geht nicht von einer unbewussten Reflexhandlung, sondern von einem willentlich gesteuerten Vorgang aus. Die Entscheidungsgründe beruhen also auf einem Sachverhalt, der jedenfalls nicht dem Prozessvortrag des Klägers un...

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