Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Wiedereinsetzung bei Versäumen der Berufungsfrist aufgrund fehlerhafter Übermittlung der Berufungsschrift an das erstinstanzliche Gericht

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 30.04.2012; Aktenzeichen 15 O 245/11)

 

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten vom 13.6.2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.4.2012 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Bonn - 15 O 245/11 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

 

Gründe

I. Das LG Bonn hat durch Urteil vom 30.4.2012 der Vollstreckungsgegenklage des Klägers und seiner auf Schadensersatz gerichteten Zahlungsklage gegen die Beklagte überwiegend stattgegeben. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3.5.2012 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 4.6.2012 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist in der Adresszeile an das "LG Bonn, Wilhelmstraße 21-23, 53111 Bonn" gerichtet und ging dort am Montag, dem 4.6.2012, vorab per Fax auf der Poststelle ein. Über der Anschrift des LG Bonn ist im Schriftsatz auch dessen Faxnummer "vorab per Fax: 0228/7021600" vermerkt. Am 5.6.2012 lag der Schriftsatz auf der Geschäftsstelle der 15. Zivilkammer des LG Bonn vor. Der zuständige Einzelrichter informierte die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 8.6.2012 telefonisch darüber, dass die Berufung beim unzuständigen Gericht eingelegt worden sei.

Die Beklagte hat daraufhin mit einem am 14.6.2012 beim OLG Köln eingegangenen Schriftsatz erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zu Begründung führen ihre Prozessbevollmächtigten aus, eine Besprechung mit der Beklagten habe erst am 1.6.2012 stattfinden können, weshalb die Berufungsschrift nicht vor dem 4.6.2012 gefertigt worden sei. Das LG Bonn sei von der seit vier Jahren ohne Beanstandung bei ihnen tätigen

Rechtsanwaltsfachangestellten, Frau G, versehentlich als Adressat in die Berufungsschrift aufgenommen worden. Die Tätigkeit der Frau G sei regelmäßig stichprobenartig überwacht worden. Durch eidesstattliche Versicherung trägt Frau G vor, von Frau Rechtsanwältin H beauftragt worden zu sein, den von ihr diktierten Berufungsschriftsatz an das OLG Köln zu richten. Sie habe aber versehentlich das Ausgangsgericht und dessen Faxnummer eingesetzt.

II. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Das Rechtsmittel wurde von ihr nicht ordnungsgemäß innerhalb der am 4.6.2012 ablaufenden Berufungsfrist eingelegt. Die Berufungsschrift ist entgegen § 519 Abs. 1 ZPO beim Ausgangsgericht und nicht beim Berufungsgericht eingelegt worden.

Der Beklagten kann wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zwar zulässig, da die Beklagte gemäß den §§ 234 Abs. 1 S. 1, 236 ZPO frist- und formgerecht die Wiedereinsetzung beantragt hat. Er ist aber unbegründet.

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach Versäumung der Berufungsfrist ist nur zu gewähren, wenn die Partei ohne ihr Verschulden die Frist versäumt hat, § 233 ZPO. Hier beruht das Fristversäumnis aber auf einem Kontrollverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO, im Gegensatz zum Verschulden der Hilfskräfte der Prozessbevollmächtigten, zuzurechnen ist.

Zwar kann der Rechtsanwalt die Angabe der richtigen und vollständigen Postanschrift auf dem Schriftsatz dem entsprechend angewiesenen und zuverlässigen Kanzleipersonal überlassen. Er muss sich aber bei Unterzeichnung eines fristwahrenden Schriftsatzes davon überzeugen, dass das richtige Empfangsgericht angegeben ist (BGH, NJW 1982, 2670; NJW-RR 2003, 934, NJW 2009, 1750; Zöller/Greger, 28. Aufl. 2010, § 233 Rz. 23 "Adressenfehler"). Bei der Angabe des Berufungsgerichts handelt es sich um einen nicht deligierbaren Kernbestandteil der Berufungsschrift (BGH, NJW 2009, 1751). Vorliegend war es für die Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei Unterzeichnung des Schriftsatzes ohne weiteres erkennbar, dass ihre Mitarbeiterin das falsche Rechtsmittelgericht, nämlich das Ausgangsgericht herausgesucht hatte. Das LG Bonn und das OLG Köln können insbesondere schon anhand der unterschiedlichen Ortsbezeichnung gut auseinandergehalten werden. Bei der Endkontrolle und Unterzeichnung des Schriftsatzes hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten daher nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen.

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine Büroangestellte, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Denn unabhängig davon, ob es sich bei dem Auftrag "den diktierten Schriftsatz an das OLG Köln zu richten" überhaupt um eine konkrete Einzelanwe...

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