Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Abgabe Berufungsschrift bei falschem Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Einer Partei kann Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht gewährt werden, wenn ihr Rechtsanwalt es versäumt hat, geeignete Vorkehrungen zu treffen, dass die für das OLG bestimmte Berufungsschrift von anderen - für das LG bestimmten - Schriftsätzen getrennt aufbewahrt wird, und so eine versehentliche Abgabe beim LG erfolgt.

 

Normenkette

ZPO §§ 85, 233

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 05.04.2011; Aktenzeichen 3 O 505/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.4.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln (3 O 505/08) wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Gründe

Die Berufung ist unzulässig.

I. Nach § 517 ZPO muss die Berufung innerhalb eines Monats seit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils eingelegt werden. Diese Frist ist im vorliegenden Verfahren nicht gewahrt. Das landgerichtliche Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.4.2011 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist aber ausweislich des Eingangsstempels des OLG Köln erst am 12.5.2011 [einem Donnerstag] bei Gericht eingegangen.

II. Gegen die Versäumung der Berufungsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

1. Es bestehen bereits Zweifel daran, dass die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gewahrt ist, und damit an der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags der Klägerin. Denn dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist nach Aktenlage in einem an diesen gerichteten Schreiben der Geschäftsstellenverwalterin des 5. Zivilsenates des OLG Köln vom 19.5.2011 mitgeteilt worden, "dass die Berufung vom 05.05.2011 gegen die Entscheidung vom 5.4.2011 (3 O 505/08 - LG Köln) am 12.5.2011 hier eingegangen ist und unter dem Aktenzeichen 5 U 95/11 bearbeitet wird". Durch dieses Schreiben könnte das Hindernis beseitigt und die Wiedereinsetzungsfrist in Gang gesetzt worden sein [§ 234 Abs. 2 ZPO] mit der Folge, dass der erst am 8.10.2011 beim OLG Köln eingegangene Wiedereinsetzungsantrag verfristet wäre. Die Klägerin hat zwar zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen, dass ihr Prozessbevollmächtigter dieses Schreiben nicht erhalten habe, was dieser anwaltlich versichert hat. Gleichwohl verbleiben insoweit Zweifel. Denn zum einen haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1. vorgetragen, dass sie das an sie gerichtete Schreiben der der Geschäftsstellenverwalterin des 5. Zivilsenates des OLG Köln vom 19.5.2011 mit dem zitierten Inhalt am 24.5.2011 erhalten haben. Und nach Aktenlage ist dieses Schreiben an demselben Tag versandt worden wie das entsprechende Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Zudem ist der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1.6.2011, durch den die Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt worden ist, mit dem Aktenzeichen 5 U 95/11 versehen, ohne dass aus dem Vorbringen der Klägerin oder aus dem Akteninhalt im Übrigen ersichtlich wäre, auf welche Weise die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter Kenntnis von dem Aktenzeichen erlangt haben könnte, wenn nicht durch das Schreiben der Geschäftsstellenverwalterin vom 19.5.2011. Die Zweifel an der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs können indes dahinstehen.

2. Denn der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne eigenes Verschulden oder Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, i.S.v. § 233 ZPO gehindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten.

a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss ein Rechtsanwalt geeignete organisatorische Maßnahmen treffen, die gewährleisten, dass zum Versand fertige fristwahrende Schriftsätze tatsächlich noch am Tage des Fristablaufs bei Gericht eingehen [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW-RR 1998, 1443, Juris-Rz. 8 m.w.N. - st. Rspr.]. Zu diesem Zweck gehört es u.a. zu den Obliegenheiten eines Rechtsanwaltes, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass fristgebundene Gerichtspost von anderen Postsendungen getrennt aufbewahrt wird [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW-RR 1998, 1443, Juris-Rz. 8 m.w.N. - st. Rspr.], und dass eine Frist im Fristenkalender nur gestrichen wird, wenn die Person, die mit der Kontrolle betraut ist, sich anhand der Akte oder des postfertigen, die Frist erledigenden Schriftsatzes selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 1997, 3177, Juris-Rz. 6 m.w.N. - st. Rspr.]. Zu einer hinreichend wirksamen Ausgangskontrolle gehört ferner eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer...

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